Debatte Sklaverei – Reparationen
Weltkonferenz der UNO gegen Rassismus 2001 in Durban
2001 fand in Südafrika die Weltkonferenz gegen Rassismus statt. Diese internationale Konferenz der Vereinten Nationen wurde mit dem Ziel, die politische Maßnahmen zur weltweiten Bekämpfung des Rassismus fördern, initiiert.
Judy Gummich weist darauf hin, dass die folgenden Punkte von zentraler Bedeutung waren:
Aus Schwarzer Perspektive waren auf der Weltkonferenz folgende Themen von zentraler Bedeutung:
- Anerkennung der Sklaverei, des transatlantischen Sklavenhandels und der Kolonisierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als hauptsächliche historische Quellen und Manifestation von Rassismus,
- förmliche Entschuldigung für die begangenen Verbrechen (Menschenrechtsverletzungen, Raub, Ausbeutung etc.) seitens der Verursacherstaaten,
- neben sozialen, psychologischen und politischen, auch ökonomische Aspekte von Rassismus
- sowie Reparationen im Sinne von sozialem und ökonomischem Ausgleich für Afrika und die afrikanische Diaspora, die auch die bis heute andauernden Auswirkungen dieser Verbrechen einschließen; dies bedeutet zum Beispiel nicht nur die Entschädigung unbezahlter Arbeit, sondern für den afrikanischen Kontinent auch konkrete Maßnahmen zur Erholung von der Zerstörung.
Bereits im Vorfeld der Konferenz war die Frage nach Reparationen in Bezug auf den transatlantischen Handel mit versklavten Menschen ein Hauptkonfliktpunkt.
38. Gipfel der African Union, Februar 2025
Das Thema der African Union für 2025 ist «Reparationen».
Interessante Analyse von Karoline Eickhoff, Ueli Staeger: «Coming to Terms with the Past? Reparations as a Test for Africa-Europe Relations», Megatrends spotlight 44, 5.2.25, Stiftung Wissenschaft und Politik
Am 38. Gipfel der AU wurde Sklaverei, Deportation und Kolonialisierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Völkermord gegen afrikanische Menschen deklariert.
«The African Union Theme of the Year 2025 will focus on Reparatory Justice and Racial Healing Under the Theme: “Justice for Africans and People of African Descent Through Reparations”.
The theme will be officially launched by Heads of State and Government during the 38th AU Summit in February 2025. In the continuing pursuit of justice and equity, the conversation about reparations has emerged as a critical and transformative dialogue that requires the collective attention and action of Africans and all people of African descent. The scope of this conversation goes beyond historical injustices and into the current fabric of societies around the world»
Warum Afrika Kolonialherrschaft als «Völkermord» einstuft,
«Tiefes Bedauern» – «Entschuldigung» – «Reparationen»
Seit 2020 ist das Thema «Reparationen» im Zusammenhang mit Sklaverei wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Insbesondere in den USA wurde die Thematik im Rahmen von BLM vermehrt diskutiert.
Inzwischen ist von Vertreter:innen verschiedener europäischer Länder «grosses Bedauern» bezüglich der Sklaverei geäussert worden. Entschuldigungen sind allerdings kaum zu hören. Bereits 2001 äusserte sich Odile Quintin, Generaldirektorin für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, in der EU-Kommission während der Uno-Weltkonferenz gegen Rassismus wie folgt: «Wir sind absolut bereit zu Verurteilung und Bedauern. Aber was wir vermeiden möchten, ist, dass eine Entschuldigung zu konkreten Verpflichtungen führt. Wenn es eine rechtliche Beziehung zwischen Entschuldigung und Verpflichtung gibt, ist das ein Problem.»
Literatur:
Tobias Müller. Reparationen: Zähes Ringen um Sühne. WOZ, Nr. 37, 2020. Link
Sklaverei und Reparationen
Olivette Otele schreibt zu Beginn ihres Artikels zum Thema «Reparationen und Sklaverei»:
«It’s not just about payment. It is about engaging in good faith with the descendants of enslaved people and addressing inequalities – to make a better future possible.»
Weiter stellt sie folgende Fragen:
«What does society owe the descendants of enslaved and colonised people?»
«How can we measure the harms caused by the slave trade, slavery and colonialism when these harms span centuries and still shape our lives?»
«Who can decide what ought to be done to repair these harms, and who should pay?»
Allgemein ist ihr Artikel «More than money, the logic of slavery reparations» sehr informativ, interessant und gibt einen guten Einstieg und Überblick ins Thema.
EU Sklaverei Reparationen
Von Europa werden Reparationen für den Kolonialismus und die Sklaverei gefordert
Im Juli 2023 fordern lateinamerikanische Staaten (CELAC-Länder) im Vorfeld eines Gipfels mit EU-Ländern von Europa Reparationen für den Kolonialismus. „Wir erkennen an, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Würde der Opfer [des transatlantischen Sklavenhandels mit den Menschen aus Afrika] wiederherzustellen. Dazu gehören auch Reparationen und Entschädigungen, die dazu beitragen, unser kollektives Gedächtnis zu heilen und die Hinterlassenschaften der Unterentwicklung zu beseitigen“, heißt es in dem vorgeschlagenen Entwurf für eine Erklärung. Link
Die EU hat im Anschluss an den Gipfel gemeinsam mit den CELAC-Staaten ein Statement veröffentlicht, in dem anerkannt wurde, dass «die Vergangenheit des europäischen Sklavenhandels «unsägliches Leid» über Millionen von Menschen gebracht habe. Weiter wird die Notwendigkeit von Wiedergutmachungsmaßnahmen für dieses «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» angesprochen. In der Erklärung wird anerkannt, dass «Sklaverei und Sklavenhandel, einschließlich des transatlantischen Sklavenhandels, nicht nur wegen ihrer abscheulichen Barbarei, sondern auch wegen ihres Ausmaßes entsetzliche Tragödien in der Geschichte der Menschheit waren». Link
Am 1.8.23 wurde der Emancipation Day in zahlreichen karibischen und afrikanischen Staaten gefeiert. Beispielsweise Barbados aber auch afrikanische Staaten erneuerten ihre Forderung nach Reparationen.
“Today, Emancipation Day, may we never forget the hardships our ancestors faced under slavery and in the fight for freedom,” Mia Amor Mottley, the prime minister of Barbados, said in a post on Twitter. “The struggle for total emancipation is not yet over. So let us lift up our ancestors’ legacy, and commit to seeking justice and reparations for our people.” Aus einem Artikel von Al Jazeera, 1.8.23 Link
EU: Europäisches Parlament setzt das Thema Reparationen auf die Agenda
«The European Union should urgently address and reverse the lasting impacts of European colonialism and support a reparations programme to rectify continuing injustices, according to a draft resolution to be presented to the European parliament’s development committee.» In einem Guardianartikel vom 6.12.23 wird ausgeführt, dass im Europäischen Parlament das Thema Reparationen im Zusammenhang mit dem Erbe des Kolonialismus und der Sklaverei adressiert werden wird. Link
UN fordert auch europäische Länder auf Reparationszahlungen zu leisten
UN-Bericht fordert im September 2023 Länder auf, finanzielle Entschädigungen für transatlantische Sklaverei zu erwägen. Im Bericht steht: «Nach den internationalen Menschenrechtsnormen kann eine Entschädigung für jeden wirtschaftlich bewertbaren Schaden, der der Schwere der Verletzung und den Umständen des Einzelfalls angemessen und verhältnismäßig ist, auch eine Form der Wiedergutmachung darstellen. … Im Zusammenhang mit historischem Unrecht und Schäden, die infolge von Kolonialismus und Versklavung erlitten wurden, kann die Bewertung des wirtschaftlichen Schadens aufgrund der langen Zeit, die vergangen ist, und der Schwierigkeit, die Täter und Opfer zu identifizieren, äußerst schwierig sein.»
UK Sklaverei Reparationen
Reparationen für den transatlantischen Sklavenhandel der UK
Am Gipfel der Commonwealth-Staaten 2024 wird mit Nachdruck die Auseinandersetzung mit der Frage von Reparationen gefordert
Time has come for reparations dialogue, Commonwealth heads agree, BBC, 27.10.2024
Starmer says he wants to ‘look forward’ and not talk about slavery reparations: Speaking to reporters travelling with him for the summit, Starmer said Commonwealth countries were “facing real challenges on things like climate in the here and now”. “That’s where I’m going to put my focus, rather than what will end up being very, very long, endless discussions about reparations on the past,” he said. “This is about stance, really, looking forward rather than looking backwards.”… Starmer’s comments on reparations prompted criticism from historians and campaigners who said they showed a lack of leadership and a fundamental misunderstanding about what leaders in the global south had been calling for.” Guardian, 23.10.24
“Slavery is abhorrent … there’s no question about that. But I think from my point of view and taking the approach I’ve just taken, I’d rather roll up my sleeves and work with them on the current future-facing challenges than spend a lot of time on the past.”
UK prime minister would rather work with nations on ‘future-facing challenges’ at Commonwealth summit
Bericht: «Quantify Reparations for Transatlantic Chattel Slavery»
2023 veröffentlichten die Brattle Consultants einen Report zum Thema «Quantify Reparations for Transatlantic Chattel Slavery«. Im Anschluss an die Veröffentlichung sagt der UN-Richter Patrick Robinson, ein Co-Autor der Studie, dass die «£18tn slavery debt an underestimation» sei. In einem BBC-Beitrag zum Thema steht: «The report, which was released in June, is seen as one of the most comprehensive attempts yet to put figures on the harms caused by slavery, and calculate the reparations due by each country. In total, the reparations to be paid by 31 former slaveholding states – including Spain, the United States and France – amount to $107.8tn (£87.1tn), the report calculates. The valuation is based on an assessment of five harms caused by slavery and the wealth accumulated by countries involved in the trade. The report sets out decades-long payment plans but says it is up to governments to negotiate what sums are paid and how.» Link
Zwei Monate vor der Veröffentlichung des Berichts hat Premierminister Rishi Sunak die Forderung, die Regierung solle sich für die historische Rolle Großbritanniens in der Sklaverei entschuldigen und Reparationen zahlen, zurückgewiesen. BBC
Aus dem Artikel von Olivette Otele im guardian 2023:
«Ironically, in the 19th century Britain and France voted that those who needed reparations were not the formerly enslaved but the enslavers. After the Slavery Abolition Act in 1833, British plantation owners were granted huge compensation for the injury of having their “property” – enslaved people – taken from them.
At the heart of demands for reparations is the understanding that the past cannot be erased, and must not be ignored. Former colonial powers cannot undo the damage they inflicted on enslaved and colonised people, but they can engage in good faith with the descendants of those people, and work to address the systemic inequalities that exist today.»
How Britain buried its history of slavery
Lest we remember, how Britain buried its history of slavery von Gary Younge, guardian 2023
British slavery and reparations in numbers (Guardian, 2023)
3.1 million: The estimated number of enslaved Africans Britain transported to its colonies between 1640 and 1807. This accounted for 50% of all enslaved Africans kidnapped and transported to the colonies during that period. About 2.7 million are thought to have survived the gruelling journey, known as the “middle passage”, and been forcibly resettled in the Caribbean, North and South America, and elsewhere. It was the largest forced migration in human history.
1787: The Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade was founded. The movement to abolish the slave trade grew in the decades that followed, drawing widespread support across the country.
1783: A formerly enslaved woman, Belinda Royall, won one of the first recorded cases of reparations in the US in the form of a pension.
1791: Thousands of enslaved people in the French colony of Saint-Domingue (now Haiti) rose up against slavery in a revolution that was pivotal for the global abolitionist movement.
1807: Britain passed the Abolition of the Slave Trade Act, which formally ended the country’s involvement in the transatlantic slave trade.
£20m: The Slavery Abolition Act 1833, which abolished slavery in most British colonies, included a £20m compensation package for enslavers, approximately 40% of the government’s total annual expenditure.
2013: Caribbean heads of state formally established the Caricom Reparations Commission. The 10-point plan called for debt cancellation as well as funding for a repatriation programme, cultural institutions, public health, a literacy campaign, psychological rehabilitation, and technology transfer.
2015: British taxpayers fully repaid the money borrowed by the government to compensate enslavers.
2019: The University of Glasgow became the first university in Britain to set up a restorative justice scheme, which pledges £20m to build a research centre in partnership with the University of the West Indies.
2022: The Dutch government formally apologised for its historical role in slavery.
0: The amount of financial compensation Britain has paid to enslaved people and their descendants still stands at zero.
Umfrage 2025 von the repair campaign:
Immer mehr Brit:innen unterstützen die Leistung von Reparationen. Artikel im Guardian, 25.3.25