Überblick
Phasen der Schweizer Migrationspolitik von 1945 – heute
Migration ist ein prägender Faktor in der Schweizer Geschichte. Sei es die Einwanderung der Hugenotten, die Auswanderungsphase im 19. Jahrhundert oder die Phase der Saisonniers in den 1950er und 1960er Jahren. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts spielt sicher die Einwanderung aus Italien eine prägende Rolle. In der Migrationsgeschichte wird die Zeit ab 1880 als „Jahrhundert der Italiener“ bezeichnet.
2020 hatten laut bfs 2 766 000 Personen bzw. 38% der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Dies widerspiegelt sich auch in unseren Schulklassen. Auf dieser Unterseite soll die Zeit von 1945 bis heute im Fokus stehen.
«Die schweizerische Migrationspolitik ist seit 1945 geprägt von Nützlichkeitsüberlegungen und internationalen Entwicklungen. Der Bedarf der heimischen Wirtschaft, gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen und (migrations-)politische Trends in Europa bewirkten einen Wandel, der sich grob in drei Phasen unterteilen lässt.» (Sozialgeschichte.ch)
Drei Phasen der Migrationspolitik in der Schweiz ab 1945
1. 1945 – 1960er Jahre: Der Aufenthalt von Arbeitsmigrant:innen ist zeitlich nicht aber quantitativ eingeschränkt.
2. 1970er – 2000: Die dauerhafte Niederlassung ist erleichtert worden, aber die Zahl ist durch Kontingente beschränkt.
3. 2000 – heute: Schrittweise Einführung der Personenfreizügigkeit. Es gibt weder Kontingente noch eine Beschränkung der Aufenthaltsdauer.
Der Migrationsbegriff
Schaut man sich den politischen Diskurs in den 1960er und 1970er Jahren an, fällt auf, dass der Migrationsbegriff weitgehend fehlt. Kijan Espahangizi weist darauf hin, dass der Begriff in dieser Zeit nur im Bereich Wissenschaft und internationaler Organisationen verwendet wurde. In den 90er Jahren hingegen wird von einer neuen Migrationspolitik gesprochen in Reaktion auf den globalen Strukturwandel. In den vergangenen 30 Jahren kommt es in der Schweiz nach Espahangizi zu einem regelrechten Migrationskomplex in der Schweiz. In seiner Habilitationsschrift untersucht er die (Nicht-)Einwanderungsgesellschaft der Schweiz mit einem begriffs- und wissensgeschichtlichen Instrumentarium und zeigt die Geschichte des Begriffs auf.
Espahangizi, Kijan. Der Migration-Integration-Komplex. Wissenschaft und Politik in einem (Nicht-)Einwanderungsland, 1960–201. Göttingen 2022.
Rezension auf H-Soz-Kult von Sephanie Zloch Link
Espahangizi, Kijan. Die Schweiz hat einen Migrationskomplex. Terra cognita, Schweizer Zeitschrift zu Integration und Migration. Nr. 36, 2020. online
Migrationsgeschichte der Schweiz und Erinnerungskultur
Espahangizi, Kijan. Der Migration-Integration-Komplex. Wissenschaft und Politik in einem (Nicht-)Einwanderungsland, 1960–201. Göttingen 2022.
Kapitel Migrations- und Kolonialgeschichte der Schweiz in: Auslegeordnung «Erinnerungskultur Stadt Zürich». Rachel Huber, Barbara Lüthi, Katharina Morawek. 2023 Link
Saisonniers / Schwarzenbachinitiative
Alltag der Saisonniers in der Schweiz
Auf der Seite sozialgeschichte.ch hat es ausführliche Texte mit einzelnen Quellen sowie Links zu Videos und weiterführender Literatur. Link
Es geht um die folgenden Themen:
- Saisonniers – Einblick in ihren Alltag
- Baracken am Stadtrand
- Abschaffung des Rotationsprinzips: Die Situation der Gastarbeiter bleibt schwierig
- Gegenenand – Mitenand
- Italiener*innen helfen sich selbst
- Schulbildung für italienische Kinder
Auswahl an Links und Literatur
Saisonnierstatut: «Wie viel kostet die Ohnmacht einer Mutter, die ihr Kind vermisst?» Interview mit Melinda Nadj Abonji und der Historikerin Paola De Martin von Silvia Süess WOZ, 29.2.24.
Saisonniers, Silvia Arlettaz, hls
Saisonarbeiter:innen in der Schweiz. Arbeit, Migration, Fremdenfeindlichkeit und Solidarität. traverse 2022/3. Link
Die verbotenen Kinder der Saisonniers. DOK-Film SRF, 2023.
Schwarzenbachinitiative
«Es war wohl eine der umstrittensten Abstimmungen in der Schweizer Geschichte des 20. Jahrhunderts: Die Überfremdungs-Initiative von James Schwarzenbach vom 7. Juni 1970», schreibt Dominik Landwehr im Blog des Landesmuseums 2020.
Auswahl an Links und Literatur:
Der Schwarzenbach-Komplex. Eikollektives Langzeitprojekt zu vielstimmiger Erinnerungspolitik. Link
Falk, Francesca (Hrsg.). Der Schwarzenbacheffekt. Wenn Abstimmungen Menschen
traumatisieren und politisieren. Zürich 2022.
Schwarzenbach geht uns alle an! Gedanken zu einer vielstimmigen, antirassistischen Erinnerungspolitik. Rohit Jain, INES (2020) Link
Wer waren die N***** Europas?: der 50. Jahrestag der «Schwarzenbach-Initiative gegen Überfremdung» in der Schweiz und die antirassistische Protestbewegung in den USA. Kijan Espahangizi. Geschichte der Gegenwart, 2020. Link
Vor 50 Jahren: Die Schwarzenbach-Initiative, Christian Koller, Sozialarchiv (2020) Link
Die Schwarzenbachinitiative. Dominik Landwehr. Landesmuseum (2020) Link
Material für den Unterricht:
St. Gallen: Sozialgeschichte.ch
Seit 2019 gibt es die sehr gelungene Webseite Sozialgeschichte.ch, die von der PH St. Gallen über mehrere Jahre aufgebaut worden ist. Die Webseite richtet sich an Lehrpersonen und enthält neben Texten sehr gutes Material für den Unterricht. Ein Fokusthema ist «die Schweizer Arbeitsmigrationspolitik nach 1945». In diesem Bereich ist bei folgenden Themen ein Schwerpunkt gesetzt worden:
* Gottlieb Duttweiler – Detail- oder Menschenhändler?
* Saisonniers – Einblick in ihren Alltag
Zürich: migrationsgeschichten.ch
Auf der Webseite migrationsgeschichten.ch finden Lehrpersonen Unterrichtsmaterialien zum Thema «Migration in der Schweiz von 1848 bis heute». Die Webseite wurde von den Pädagogischen Hochschulen Zürich PHZH und Graubünden PHGR sowie dem Institut Unterstrass gemeinsam entwickelt. Auf der Webseite hat es Unterrichtsmaterialien für Klassenstufen bis zur Sek. II. sowie zahlreiche Hintergrundtexte und Quellenmaterialien. Link
Der Zeitraum 1848 bis heute ist in 9 Zeiträume gegliedert. Der erste Zeitraum bezieht sich auf die Zeit vor 1848 und der letzte deckt den Bereich ab 2002 ab.
Oral History Archiv
Dieses sich im Aufbau befindende Archiv umfasst biografisch-thematische Oral History Interviews, die in Lehrveranstaltungen von Francesca Falk entstehen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Migrationserfahrungen. Link
Die Interviews sind nach den vier folgenden Kategorien geordnet: «Einbürgerung a la Schweizermacher», «Wenn Migration die Arbeitsteilung in der Familie prägt», «Saisonnières und Saisonniers», «Schwarzenbach-Abstimmung»
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