Zürich und der Kolonialismus
Zürich und der Kolonialismus
wie die ganze Schweiz war der Kanton Zürich auf zahlreichen Ebenen verstrickt in das europäische Projekt des Kolonialismus und Imperialismus. Obwohl die Schweiz keine Kolonien hatte, waren Zürcher Firmen und Zürcher:innen in vielen Bereichen aktiv am Erhalt des kolonialen Systems beteiligt. Zu den einzelnen Bereichen gibt es Ausführungen in Extraabschnitten.
E-Publikation zur Ausstellung «Blinde Flecken. Zürich und der Kolonialismus»

Plakat «Blinde Flecken» Stadt Zürich
Dieser erste Abschnitt ist den Unterlagen der Ausstellung im Zürcher Stadthaus 2023 «Blinde Flecken. Zürich und der Kolonialismus» gewidmet. Zum ersten Mal gab es in Zürich eine Ausstellung zu diesem Thema. Aufgrund des grossen Erfolgs der Ausstellung wurde sie bis am 2. September verlängert. Zusätzlich wurde eine E-Publikation mit den Ausstellungstexten veröffentlicht und somit der Inhalt weiterhin zugänglich gemacht. In der Publikation werden die verschiedenen Aspekte des Themas mit prägnanten, informativen Texten illustriert mit Bildquellen dargelegt. Die Texte eigenen sich sehr gut zur Arbeit mit Schüler:innen im Unterricht.
Auf der Webseite der Stadt steht: «Kolonialismus war in Zürich lange kein Thema. Heute wissen wir: Es bestehen blinde Flecken. Die Ausstellung «Blinde Flecken: Zürich und der Kolonialismus» will ein grösseres Bewusstsein für die kolonialen Verflechtungen Zürichs schaffen. Sie will auch aufzeigen, dass der Kolonialismus schon lange in der Stadt präsent ist und dass dieser bis heute nachwirkt. Alle Zürcher*innen sind auf die eine oder andere Weise davon betroffen. …Der Kolonialismus veränderte die Welt tiefgreifend und schuf grosse Ungleichheiten. Die Stadt Zürich und ihre Wirtschaft profitierten davon, wie auch viele Zürcher*innen, die auf die eine oder andere Weise in den Kolonialismus involviert waren. Die Verbindungen in die Kolonien trugen zum Aufstieg der Stadt zur Wirtschaftsmetropole bei. Doch dieser Aufstieg hatte in den Kolonien seinen Preis. So steht der Paradeplatz symbolisch für den Aufschwung Zürichs und für ein System, das hier Wohlstand brachte, das aber menschliche Opfer gefordert hatte.»
«Blinde Flecken» E-Publikation

Inhaltsverzeichnis E-Publikation «Blinde Flecken»
Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee im 19. Jahrhundert
Zwischen 1815 und 1914 dienten laut Philipp Krauer rund 7600 Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee im Gebiet des heutigen Indonesiens sowie mehrere Dutzend in der Karibik und in Surinam. So stellten sie zeitweise bis zu elf Prozent des europäischen Truppenkontingentes. Interessant ist, dass auch nach 1859 der individuelle Solddienst in der Schweiz erlaubt blieb, nicht zuletzt, da die Politiker froh waren, wenn ärmere Schweizer den Weg in die Kolonialarmee wählten. Andererseits wurden die Schweizer Söldner, in der Zeit als das Rote Kreuz gegründet wurde, eine wichtige Stütze des kolonialen Gewaltregimes.

Soldaten der niederländischen Kolonialarmee während des Acehkrieges (1873-1912) im Nordosten Sumatras (wikimedia commons)
Material für den Unterricht
Text: über Berner Söldner in der Niederländischen Kolonialarmee auf bern-kolonial.ch Link
Text: Ein sehr informativer und gut zu lesender Text über Schweizer Söldner von Philipp Krauer auf der Seite des Landesmuseums Blog des Landesmuseums
Text und Quellen: Ein Schweizer als Militärarzt in Indonesien. Der Text von Philipp Krauer enthält sehr interessante Informationen und mehrere Bildquellen: Vom Tropen- zum Kurarzt: ein Stück Gersauer Globalgeschichte. Philipp Krauer, Schyzer Staatsarchiv Link
Text: Im Blogbeitrag «Dreifachmord von Bärschwil» geht es um einen ehemaligen Schweizer Söldner, der zurück in der Schweiz erschiesst er seinen Vermieter sowie dessen Tochter und Ehefrau. Interessant ist, dass bereits 1896 im Bund die Verbindung zur Kampftätigkeit in Indonesien und die daraus erfolgte «ungemein rohe Gesinnung» hergestellt wurde. Blogbeitrag von Philipp Krauer, Landesmuseum
Die Schweizer Söldner brachten auch die «Nationalblume» Geranium mit. Dazu ein Text von bern-kolonial.ch Link
Links und Literatur
– «Swiss Tools of Empire: Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee». Diese Seite wurde an der ETH Zürich erstellt und enthält viele interessante Links und Informationen zum Thema. U.a. auch eine Linkliste zu Artikeln (digital).
Im folgenden drei Beispiele:
– Krauer, Philipp: Zwischen Geld, Gewalt und Rassismus: Neue Perspektiven auf die koloniale Schweizer Söldnermigration nach Südostasien, 1848–1914, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 71(2), S. 229-250, open access
– Schär, Bernhard: Wie eine Frau aus Borneo die Gründung der Schweiz prägte. Republik (2020) (sehr anschauliches, informatives Beispiel, geeignet für den Unterricht)
– Chandrasekhar, Anand: Swiss mercenaries helped spread colonialism in far away lands. Swissinfo (2020) Link
– Webseite colonial-local
Auswanderung / Verwaltung und Besitz von Plantagen
Schweizer in der Plantagenkultur Ostsumatras
Andreas Zangger schreibt, dass der Plantagenkapitalismus an der Ostküste Sumatras ein internationales Projekt war. «Die Holländer öffneten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein relativ kleines Gebiet für internationales Kapital. Ca. die Hälfte der Plantagen stand unter britischer, belgischer und amerkanischer Kontrolle, das leitende Personal stammte aus Deutschland, Grossbritannien, der Schweiz und anderen Ländern. «Vreemdelinge»(europäische Ausländer) wurden zu einem festen Teil der Kultur. Von allen Schweizern in den Tropen waren – abgesehen von Brasilien – am meisten auf Sumatra zu finden. (…) Der Urwald von Sumatra wurde von den eindringenden Europäer als Wildnis vorgestellt und mit «Wildnis» verband sich die Vorstellung den Indigenen als Naturvölkern in Opposition zur eigenen Zivilisation und eine Legitimierung der gewaltsamen Ausbreitung.» (Zangger, Koloniale Schweiz, S. 169ff)
Die Villa Patumbah
Die Villa Patumbah in Zürich ist der «steinerne Überrest», der an die Geschichte des Tabakpflanzers Carl Fürchtegott Grob erinnert. Wie eine ganze Reihe anderer Schweizer reiste auch er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Südostasien, um sein Glück zu machen.
In Sumatra machte er sich als Tabakpflanzer selbständig und betrieb eine riesige Plantage. Etwa 2500 Chinesen und 1800 Arbeiter aus Sumatra und Java arbeiteten unter sehr harten Bedinungen. Mit der Ausbeutung dieser Arbeitenden verdiente Grob riesige Summen und wurde so bei seiner Rückkehr nach Zürich zu einem der reichsten Bürger seiner Zeit.

Villa Patumbah (wikimedia commons)
Karl Krüsi – Sumatrastrasse 36 in Zürich
1874 wandert der 19-jährige Karl Krüsi nach Sumatra aus. Zwei Jahrzehnte später kommt er als reicher Mann nach Zürich zurück. Seine Villa, genannt Villa Sumatra, steht heute nicht mehr, wiederspiegelte allerdings den Umfang seines Vermögens.

Geschichte Schweiz Landesmuseum (Foto: Ashkira Darman)
Weitere Informationen findet man auf der Seite des Landesmuseums und auf der Seite der ETH.
Mit Hilfe von verschiedenen Quellen kann man einen Einblick in die Lebensbedingungen der Arbeitskräfte sowie der Reaktionen der indigenen Bevölkerung auf die Vertreter der Kolonialmacht vermitteln.
Hermann Heinrich Frei: Familiennachzug um 1900
«Die Frage, wie viel Fremdheit die Schweiz verträgt, beschäftigte Schweizer*innen bereits im 19. Jahrhundert.» Dieser Satz steht am Anfang eines Textes von Niklaus Müller. Dieser Text ist im Rahmen des Seminars «Von der Kolonisierung zur Globalisierung. Neue Perspektiven auf die Globalgeschichte der Schweiz» entstanden. Der Fokus liegt auf dem Thema Familiennachzug. Worum geht es? «Hermann Frei war als Kaufmann auf Sumatra tätig, einer der grösseren Inseln des niederländischen Kolonialreichs, woraus das heutige Indonesien entstanden ist. Wie damals für europäische Kolonisten üblich, lebte er mit einer javanischen sogenannten Haushälterin zusammen. Sie hiess Karsima und Frei hatte zwei Kinder mit ihr gezeugt. Ebendiese gab er nun im Kanton Zürich bei seiner Mutter in Obhut und war mit dem Anliegen um Einbürgerung bis an den Regierungsrat gelangt.» Zuvor hatte Frei sein Gesuch schon vor den Gemeinderat von Thalheim gebracht, der «sich von der Zerstörung durch „fremdländische Sitten und Gebräuche“ bedroht» sah. Auch der Regierungsrat Zürich lehnt das Gesuch ab. Müller schreibt, «in der Abweisung von Freis Gesuch kam also neben formaljuristischen Gesichtspunkten eine rassistische Grenzziehung zum Ausdruck». Für mehr Informationen siehe Link
Material für den Unterricht: Villa Patumbah
An dieser Stelle soll eine Quelle, die die Perspektive der indigenen Bevölkerung wiederspiegelt, zur Verfügung gestellt werden. Solche Quellen sind allerdings sehr selten, daher immer noch auf der Suche.
Sehr informativ ist die Broschüre zur Ausstellung (2020)»Patumbah liegt auf Sumatra». In kurzen Texten werden verschiedene Aspekte sehr gut erklärt. Diese Texte eigenen sich auch für Schüler:innen.
In der Villa Patumbah werden verschiedene sehr gute Workshops für Schulklassen angeboten, die eine Führung durch das Gebäude enthalten.
Der Text von Monique Ligtenberg auf zh-kolonial eignet sich als Lektüre für die Schüler:innen. zh-kolonial
Material für den Unterricht: Karl Krüsi
Quelle: 2017 wurde im Blog vom Landesmuseum ein Eintrag zu Karl Krüsi verfasst. Sehr interessant ist der Kommentar von Andreas Zangger sowie die Replik des Landesmuseums Link. Anhand dieser Texte kann man die Frage, wie Kolonialgeschichte der Schweiz dargestellt wird, diskutieren. Diese Texte können hier als Worddatei runtergeladen werden. Darstellung Schweizer Kolonialgeschichte
Material für den Unterricht: Familiennachzug – Einbürgerungspolitik um 1900
Quelle: Protokoll des Regierungsrates von Zürich 1892 (1789). Unter dem Titel «Brautkinder» sind die Ausführungen des RR von Zürich zum Gesuch von Hermann Heinrich Frei einsehbar. Die Argumentation ist nebst formaljuristischen Punkten auch rassistisch. Dementsprechend müsste eine Behandlung im Unterricht diese Argumente ausführlich kontextualisieren. Zur kurzen Lektüre ist diese Quelle nicht geeignet. Eine weitere Möglichkeit ist, den Inhalt zu paraphrasieren. Link Im Text von Niklaus Müller wird die Quelle kontextualisiert. Link
Das Thema Einbürgerung ist bis heute ein vieldiskutiertes und für zahlreiche Schüler:innen ein Thema, das sie und/oder ihre Familie betrifft.
Unterrichtsmaterial zur Ausstellung des Landesmuseums «Weg aus der Schweiz» (2022)
Quellen und Texte: Auswanderungsgeschichten seit 1848 Link
Links und Literatur
– Kolonialismus und Migration. Harald Fischer-Tiné bpb. Siehe v.a. den Abschnitt zu «Fortsetzung der Sklaverei mit anderen Mitteln? Imperiale Arbeitsmigration und das «Indentured-Labour»-System.»
– Stefan Sigerist. Schweizer in Asien. Kaufleute, Uhrmacher, Missionare, Eisenbahner. München 2017. (aktualisierte Auflage)
– Andreas Zangger, Koloniale Schweiz, Ein Stück Globalgeschichte zwischen Europa und Südostasien (1860-1930). Bielefeld 2011.
– Hans-Jürg Keller hat auf seiner Webseite ausführliche Notizen (Zusammenfassung) zu Zanggers «Koloniale Schweiz» gemacht. Link
– Ririn Darini, Dyah Ayu Anggraeni. The Life of Deli Tobacco Plantation’s Workers in East Sumatera, 1880–1930. Indonesian Historical Studies, 5 (1), 2021. S. 30-44. Link In diesem Artikel beschreiben die Verfasserinnen das Leben von Plantagenarbeiter:innen.
– Beitrag auf zh-kolonial zur Villa Patumbah von Monique Ligtenberg
– Ein Appenzeller in der Fremde. Schweizerisches Nationalmuseum. (2017)
Schweizer Auswanderung nach Brasilien im 19. Jahrhundert
Einerseits fand in der Schweiz im 19. Jahrhundert eine schnelle Industrialisierung und somit auch Wirtschaftsexpansion statt, andererseits profitierten aber nicht alle Bevölkerungsteile von dem dadurch steigenden Wohlstand. Die soziale Ungleichheit nahm zu und mit ihr die Armutsmigration. Der amerikanische Doppelkontinent waren das Ziel Nummer eins dieser Auswanderer:innen. Dementsprechend entstanden zahlreiche «Schweizer Kolonien».
Zum Thema «Schweizer Auswanderer in Brasilien» haben Philipp Marti und Bernhard C. Schär ein Unterrichsmodul mit mehreren Quellen zusammengestellt. Darin weisen sie unter anderem darauf hin, dass die Schweizer und andere europäische Siedlungen von den lateinamerikanischen Herrschern «häufig instrumentalisiert» worden sind, «um sowohl Gemeinschaften amerkanischer Ureinwohner als auch Ansiedlungen entflohener Sklaven, die sich in diesen entlegenen Gebieten neidergelassen hatten, zu verdrängen.»
Eine Schweizer Stadtgründung in Brasilien war Nova Friburgo. Sowohl auf der Seite des Landesmuseums, als auch auf der Seite des Staatsarchivs Luzern finden sich Informationen und auf letzterer transkribierte Quellen, die die Perspektive Schweizer Auswanderer:innen aus dem 19. Jahrhundert wiederspiegeln.
Petra Koci schreibt auf der Seite des Landesmuseums: «Der Deal zwischen der Freiburger Kantonsregierung und dem portugiesischen König in Brasilien wurde am 16. Mai 1818 besiegelt. Über 2000 Menschen, vor allem aus Freiburg, aber auch anderen Kantonen, meldeten sich zur Auswanderung. «Heimatlose» wurden von den Behörden abschoben. Brasilien war interessiert an Arbeitskräften, da die Abschaffung der Sklaverei in Gange war. Die Schweizer galten als gute Handwerker und Soldaten. Zudem sollte das südamerikanische Land durch die Einwanderer «weisser» werden. Der König selbst wies den Siedlern Land etwa 150 km im Hinterland von Rio de Janeiro zu.»
Zu Nova Friburgo siehe auch den Text und die Quellen auf colonial-local
Das Dorf Helvécia war Teil der Kolonie Leopoldina. In einer Repotage im Tagesanzeiger über Helvécia heute (2022) werden Fotografien des Fotografen Dom Smaz gezeigt. Link
Material für den Unterricht
Unterrichtsmodul mit Quellenauswahl zu «Schweizer Auswanderer im Brasilien des 19. Jahrhunderts: Ambivalente Verflechtungen mit Strukturen der Sklaverei». Im Zentrum steht die folgende historische Frage:
«Wie kann das Beispiel Brasilsien dazu beitragen zu zeigen, dass die Schweiz als Land ohne eigene Kolonien am europäischen Kolonialismus und Imperialismus beteiligt war, und welche historische Frage wird dadurch aufgeworfen?»
Das Modul ist Teil der folgenden Publikation:
Quellen + Text: Kolonialismus und Dekolonisation in nationalen Geschichtskulturen und Erinnerungspolitiken in Europa. Module für den Geschichtsunterricht. Hsg. von Uta Fenske u.a. Frankfurt 2015. S. 71 – 84. Online findet man es unter dem folgenden Link
Quellen: Transkribierte Quellen von Schweizer Auswanderer:innen auf der Webseite des Luzerner Staatsarchivs. Link
Quelle: Klageschrift von Schweizer Auswanderern über ihre Situation in Brasilien. Auf S. 101-102 ist die Quelle abgedruckt. Zum Verfasser der Klageschrift findet sich in den Schulunterlagen des Landesmuseums zur Ausstellung «Wege aus der Schweiz» auf S. 7 ein kurzer Eintrag. Link
Die Schweizer Auswander:innen beklagten einerseits ihre «sklavenähnliche» Behandlung/Situation, andererseits besassen sie selber versklavte Menschen (wenn es die ökonomischen Umstände erlaubten) und der Blick auf die indigene Bevölkerung war stark rassistisch.

Der Fluss Paraibuna von Rugendas (ca. 1825) wikimedia commons
Handel
Handelshaus Gebrüder Volkhart
Die Schweiz ist seit dem 18. Jahrhundert eine Handelsmacht. Schweizer wollten ihr Geschäft schon so früh wie im 18. Jahrhunder im Ausland diversifizieren und wanderten nach Übersee aus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in der Schweiz z.B. zehnmal mehr multinationale Firmen als in den Niederlanden, einer Kolonialmacht. Diese Handelstätigkeiten trugen stark zum Wohlstand bei und machten aus der Schweiz eine Handelsmacht.
Eine der grössten Schweizer Firmen, die international tätig waren, war die Firma «Handelshaus Gebrüder Volkhart». 1851 gründet stieg das Unternehmen innert drei Jahrzehnten zu einem der weltweit grössten Handelsunternehmen auf. Zentral war für die Firma war der Handel mit Indien. Gesteuert wurde sie vom Hauptsitz in Winterthur, dem Zentrum der kontinentaleuropäschen Textilwirtschaft, aus und war zeitweise für bis zu zehn Prozent aller indischen Baumwollexporte nach Europa verantwortlich.
Im 20. Jahrhundert wurden in Winterthur verschiedene Stiftungen gegründet, wie z.B. das Winterthurer Fotomuseum oder die Kunstsammlung Oskar Reinhart.

Etikett, Gebrüder Volkart, Stadtarchiv Winterthur, Firmenarchiv der Gebrüder Volkart, Dep 42_1971.19
Material für den Unterricht
Quellen + Text: Das Schweizer Geschäft mit Indien von Pascale Meyer (blog Landesmuseum) In diesem Beitrag geht es um die Winterthurer Handelsfirma Volkart (sehr geeignet für den Unterricht, gute Bilder und Text)
Quellen + Text: Unterrichtsmaterial des Landesmuseums zur Ausstellung «Indiennes»: Zu den Gebrüder Volkart Kapitel 8 (S. 34ff). Darin wird auf Bildquelleninterpretation fokusiert (4 Fotos aus dem Volkart-Archiv).
Quellen: Ausschnitte aus zwei Briefen, die in den 1840er von Salomon Volkart und Bernhard Rieter aus Indien (ihrer ersten Erkundigungsreise) in die Schweiz geschickt wurden. Die Quellen sind auf der Webseite von Andreas Zangger zum Projekt «Textilgeschichte» einsehbar.
Indiennes. Stoff für tausend Geschichten. Ausstellungskatalog Landesmuseum. 2019. Zur Firma Volkart: Schweizer Kaufleute und koloniale Herrschaft: die Firma Gebrüder Volkart in Britisch-Indien. S. 112 – 123. (eignet sich für den Unterricht)
Literatur und Links:
Schweiz als Handelsmacht Kleines Land, gross im Übersee-Geschäft. Interview mit Andrea Franc srf (6.8.21).
Andrea Franc. Im Austausch mit der Welt. Schweizer Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert. 2021.
Anand Chandrasekhar Die befleckte Geschichte der Schweizer Textilindustrie. Swissinfo Juni 2020. Link
Christoph Dejung. Die Fäden des globalen Marktes. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Welthandels am Beispiel der Handelsfirma Gebrüder Volkart 1851–1999. Köln 2013.
Andreas Zangger. «Textilgeschichte». Webseite ab 2020. Link
Rassenforschung an Schweizer Universitäten
Rassenforschung an Schweizer Universitäten
2016 veröffentlichte Pascal Germann seine Dissertation «Laboratorien der Vererbung. Rassenforschung und Humangenetik in der Schweiz 1900-1970». Darin zeigt der Historiker auf, wie wichtig Schweizer Wissenschaftler in der Rassenforschung und Humangenetik waren.
In einem Interview im Tangaram 44 weist Pascal Germann darauf hin, wie global die Rassenforschung in der Schweiz ausgerichtet war. Weiter führt er aus: «Sowohl Zürich wie Genf waren in den 1920er- und 1930er-Jahren wichtige Zentren der globalen Rassenforschung. Im Anthropologischen Institut der Universität Zürich verkehrten nicht nur Forscher aus ganz Europa, sondern auch Wissenschaftler aus den USA, Südafrika, Neuseeland, Indien und China. Auch die Genfer Universität war in der Rassenforschung international ausgerichtet. So pflegte der Genfer Anthropologie-Professor Eugène Pittard enge Kontakte zur Türkei und war gar mit Staatspräsident Atatürk befreundet. Dies ermöglichte Pittard, massgeblich zur Förderung der Rassenforschung in der Türkei beizutragen. Dieses Beispiel zeigt, dass Schweizer Rassenforscher nicht nur an der Klassifikation von Menschen in der Schweiz interessiert waren. Vielmehr wandten sie sich weltweit ganz unterschiedlichen politischen Kontexten zu, in welchen ihre angeblich rein wissenschaftliche Rassenexpertise für Herrschaftszwecke benutzt wurde.» Link zum Interview
Wie aktuell das Thema nach wie vor ist zeigt, dass 2018 gegen Pascal Germann bei der Universitätsleitung Zürich von Nachkommen eines in der Dissertation erwähnten Forschers Anzeige eingereicht wurde. Ein externes Gutachten hat Pascal Germann von allen Vorwürfen entlastet. Simon Teuscher, Vorsteher des HS Zürich, hat darauf hingewiesen, welch schwerwiegende Folgen solch rechtliche Verfahren für die Forschenden und die Forschungsfreiheit haben könne. Link
Louis Agassiz: einflussreicher, Schweizer Rassentheoretiker im 19. Jahrhundert
Louis Agassiz genoss ein hohes Ansehen als Naturforscher und Rassentheoretiker. Der u.a. auch in Harvard lehrende Agassiz war einer der einflussreichen Begründer der Rassentheorie und trat in den USA für die Rassentrennung ein. Auf seine Theorie stützte sich auch im 20. Jahrhundert zahlreiche Gruppen faschistischer und rassistischer Überzeugungen. Nach wie vor sind weltweit zahlreiche Plätze, Strassen etc. nach ihm genannt.
In der Schweiz gibt es erst seit den 2000er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur Agazzis. So wird eine Debatte darüber geführt, ob ein Berg nach Agassiz benannt bleiben solle. Das Agassizhorn heisst nach wie vor so, andererseits ist der Éspace Louis Agassiz auf dem Gelände der Neuenburger Universität 2018 in Éspace Tilo Frey umbenannt worden. Siehe auch auf dieser Webseite unter Schwarze Schweizer Geschichte. Zur Debatte finden sich weitere Informationen auf colonial-local und L’ouverture von Hans Fässler.
Material für den Unterricht
– Text: Das Interview mit Pascale Germann in Tangaram 44, 2020 eignet sich (z.B. auch Ausschnitte davon) für den Unterricht.
– An dieser Stelle kann auch die Thematik, wie mit menschlichen Überresten, die in Schweizer Institutionen (oder europäischen) lagern, umgegangen werden soll, angesprochen werden. Ein Beispiel sind die Überreste von fünf Kawesquar-Indigenen aus «Feuerland», die 2008 zufällig im Anthropologischen Institut der Universität Zürich entdeckt wurden und 2010 nach Chile rückgeführt und traditionell bestattet wurden. Informationen dazu:
- Repatriierung. Das Ende einer 129 Jahre langen Reise. Sascha Renner. UZH-News. 12.1.2010 Link
- Späte Rückführung chilenischer Ureinwohner. Ivan Turmo, Swissinfo, 15.1.2010 Link
- Kapitel 1: Feuerländer in Fluntern, ausgestellt bis zum Tod. In: Wildfremd, hautnah. Zürcher Völkerschauen und ihre Schauplätze 1835 -1964. Rea Brändle. Zürich 2013 (2). S. 14- 29.
- Siehe allgemein auch die Unterseite «Völkerschauen» Link
– Text und Quelle zu Louis Agassiz auf der Webseite colonial-local. Link
Links und Literatur
Zur Rassenforschung in der Schweiz
– Die vertuschte Geschichte der Universität Zürich, Stephanie Caminada und Carlo Mariani (Artikel aus der Studierendenzeitung Zürich) swissinfo 18.2.2021 Link
– Interview mit Pascale Germann in Tangaram 44, 2020 Link
– Pascal Germann. Laboratorien der Vererbung. Rassenforschung und Humangenetik in der Schweiz 1900 – 1970. Göttingen 2016.
– Christoph Keller. Die Schädelvermesser. Otto Schlaginhaufen – Anthropologe und Rassenhygieniker. Eine biographische Reportage. Zürich 1995.
Zu Louis Agassiz und der aktuellen Debatte
Webseite von Hans Fässler: L’ouverture
Webseite von colonial-local
Über das Engagement der international erfolgreichen Schweizer Künstlerin Sasha Huber zum Widerstand gegen die Präsenz von Agassiz Namen in Berg- und Strassennamen. Guardian 21.11.2022
Naturforscher und Tropenspektakel im Naturmuseum
In Planung
Sarasins als Naturforscher
Walter Volz, ein Zoologe, wird u.a. von der Stadt Bern und der Bürgergemeinde bei seinen Reisen z.B. nach Liberia unterstützt. Walter Volz Reise an die «Pfefferküste» auf der Seite von bern-kolonial.ch Link
Inszenierung der Tropen?
Mission
Basler Mission
Die Basler Mission war eine protestantische Missionsgesellschaft, die 1815 in Basel, Schweiz, gegründet wurde. Ihr Hauptziel war es, die lokale Bevölkerung zum Christentum zu bekehren, insbesondere auf dem afrikanischen und dem asiatischen Kontinent. Missionar:innen wurden in das Gebiet des heutigen Ghanas, nach nach Südindien, China, Kamerun und Indonesien geschickt. Während des 19. Jahrhunderts, als der Kolonialismus in Europa seinen Höhepunkt erreichte, spielte die Basler Mission eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Begleitung der europäischen Kolonialmächte in ihren Kolonien. Die Missionare der Basler Mission waren oft eng mit den Kolonialverwaltungen verbunden und arbeiteten mit ihnen zusammen.
Zur Tätigkeit in Indien:
Auf frommer Mission in Indien von Noëmi Crain Merz, Blog Landesmuseum 2019 Link
Projekt: Mission – Colonialism Revisited
«Welche Rolle spielten christliche Missionsgesellschaften im Kontext von Sklaverei und Kolonialismus? Gibt es historische Berührungspunkte mit Rassismus und Diskriminierung? Mission 21 rückt die vielschichtige Geschichte von Mission, Kolonialismus und Sklaverei ins Blickfeld, um so den Fokus für die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte zu Rassismus und Diskriminierung zu schärfen.»
Auf der Webseite dieses Projekts der Basler Mission lassen sich Informationen und die Aufzeichnungen zu Webinaren finden, z.B.:
- Black Voices from the Archives
- Kindheit zwischen den Kulturen: Missionskinder in der Kolonialzeit Schweizer Kolonialhandel und die Basler Missionshandelsgesellschaft
- Mission und koloniale Gewalt im Ersten Weltkrieg