Schweiz und Kolonialismus
Schweiz und Kolonialismus
Wann: Schweizer und Schweizerinnen sind seit dem 16. Jahrhundert Teil des kolonialen und imperialen Projekts Europas.
Wie: Dies fand in sehr unterschiedlichen Funktionen statt. Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren Mitglieder aus St. Galler Familien Teil der Konquista in Mittel- und Südamerika, waren als Soldaten und Gouverneure tätig und besassen Plantagen. Der Plantagenbesitz weitete sich in den kommenden Jahrhunderten aus und Schweizer Söldner waren in verschiedenen Kolonialarmeen tätig. Auch in der Kolonialverwaltung, Expeditionen sowie in privatwirtschaftlichen Unternehmungen vor Ort waren zahlreiche Schweizer:innen vertreten. Hinzu kommt, dass Privatpersonen, Unternehmen aber auch staatliche Institutionen in Geschäfte im Zusammenhang mit dem Handel mit versklavten Menschen investierten.
Wer: Fabio Rossinelli weist darauf hin, dass sich die Forschung zur Schweizer Kolonialgeschichte bis anhin auf die Beteiligung der Privatwirtschaft konzentriert hat und die Beteiligung des Bundes und der Kantone am kolonialen Geschehen im 19. und 20. Jahrhundert vernachlässigt habe. Dabei sei der Staat in diesem Bereich sehr aktiv gewesen. Die Vermischung von öffentlich und privat zeigt er anhand der geografischen Gesellschaften auf, weiter verweist er auf Subventionen und Pensionen wie auch auf den Bereich der Streitschlichtung.
Material für den Unterricht: Material für den Unterricht gibt es u.a. in den umfangreichen Vermittlungsunterlagen zur Ausstellung im Landesmuseum «kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz. Die Unterlagen enthalten einen didaktischen Kommentar zum Thema sowie Unterrichtsmaterialien mit Portraitkarten, Texten und Aufgaben.
In den weiteren Abschnitten auf dieser Seite wird auf die verschiedenen Formen der Beteiligung von Schweizer:innen am kolonialen Projekt eingegangen mit konkreten Hinweisen auf die Unterrichtsmaterialien des Landesmuseums.
Ausstellungen zu Schweiz und Kolonialismus 2024 -2025
In der Schweiz werden 2024 in verschiedenen Museen Ausstellungen zum Thema «Schweiz und der Kolonialismus» gezeigt.
Am 3. Mai eröffnete in Genf im Musée d’ethnographie de Genève die Ausstellung «Erinnern! Genf in der kolonialen Welt» (siehe unter Link und auf dieser Seite unter Unterwegs in der Schweiz, Genf)
Am 13. September eröffnet im Landesmuseum in Zürich die Ausstellung «Kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz«,
Rede von Bundesrätin Baume-Schneider im Landesmuseum zur Eröffnung der Ausstellung am 12.9.24.
Weitere Ausstellungen in Neuchâtel: Naming Nature, in Luzern: Kakao, Kunst und Kolonialismus, in Bern: Widerstände im Umgang mit Rassismus in Zürich: EHT: Koloniale Spuren, Sammlungen im Kontext, Rietbergmuseum und Völkerkundemuseum: Benin
Projekt des HLS: Koloniale Verflechtungen der Schweiz (2023-2024)
«Das HLS widmet der kolonialen Vergangenheit der Schweiz ein umfassendes Projekt mit zahlreichen neuen bzw. überarbeiteten Artikeln. Es vermittelt Wissen zu Schlüsselbegriffen ebenso wie Informationen zu Personen und Familien, die global agierten. Vieles ist inzwischen über Schweizer Söldner, Unternehmer, Plantagenbesitzer und Sklavenhändler bekannt. Noch weniger erforscht ist die Geschichte von Schweizerinnen, die in Kolonien in unterschiedlicher Funktion tätig waren. Ebenso bestehen Forschungslücken über das Leben von versklavten Menschen, die in Kolonien Zwangsarbeit verrichteten oder in die Schweiz verbracht wurden. Das Projekt wird denn auch laufend mit neuen Beiträgen ergänzt. (30.4.24)» Hinweis auf verschieden neue oder überarbeitete Artikel Link
Schweizer Söldner in europäischen Kolonialarmeen
Schweizer Söldner in europäischen Kolonialarmeen
Ab dem 13. Jahrhundert gab es Schweizer Söldner in europäischen Armeen. Ende des 18. Jahrhunderts setzt ein Wandel ein. Waren zuvor die Mehrheit der Söldner im binneneuropäischen Solddienst tätig, steigt der Bedarf europäischer Kolonialmächte für militärisches Personal in den Kolonialarmeen. Obwohl die Mehrheit der Soldaten in den Kolonialarmeen aus der indigenen Bevölkerung rekrutiert wurde, warben die Kolonialmächte (v.a. GB, F, NL) vor dem Hintergrund rassistischer Überlegungen und Fragen der Loyalität auch europäische Söldner an. Ihre Aufgabe bestand darin, die gewaltsamen Eroberung überseeischer Gebiete zu unterstützen und diese zu verteidigen, wie auch versklavte Menschen beim transatlantischen Transport sowie auf den Plantagen zu überwachen.
Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee im 19. Jahrhundert
Zwischen 1815 und 1914 dienten laut Philipp Krauer rund 7600 Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee im Gebiet des heutigen Indonesiens sowie mehrere Dutzend in der Karibik und in Surinam. So stellten sie zeitweise bis zu elf Prozent des europäischen Truppenkontingentes. Interessant ist, dass auch nach 1859 der individuelle Solddienst in der Schweiz erlaubt blieb, nicht zuletzt, da die Politiker froh waren, wenn ärmere Schweizer den Weg in die Kolonialarmee wählten. Nicht nur Armut, sondern auch Abenteuerlust bewog junge Schweizer in den Solddienst zu gehen. Die Realität in Indonesien sah jedoch so aus, dass beinahe die Hälfte der jungen Männer an Krankheiten und in Kampfhandlungen starben. Abschliessend kann jedoch festgehalten werden, dass die Schweizer Söldner, in der Zeit als das Rote Kreuz gegründet wurde, eine wichtige Stütze des kolonialen Gewaltregimes wurden.
Nur wenig ist über die Wahrnehmung der Schweizer Söldner die Kampfhandlungen wahrnahmen. Der Oltener Söldner Karl Schmid hielt 1912 seine Eindrücke schriftlich fest: «Der Feind floh nach allen Richtungen. Tote, Halbtote trafen wir haufenweise an. Der Anblick machte mich schaudern. Ein guter Kamerad reichte mir seine Feldflasche, ein tüchtiger Zug daraus und ich fühlte mich wieder stark! Jetzt ging es schnell vorwärts, alle Häuser wurden angezündet.» Das ganze Ausmass der Verwüstung sah Schmid schliesslich, als er von einer Anhöhe über die Landschaft blickte: «Soweit das Auge reichte, stunden alle Kampongs (Dörfer) in Flammen.» Niederländische Historikerinnen und Historikern zeigen auf, dass diese Schilderungen nicht übertrieben waren. Im Blogbeitrag «Dreifachmord von Bärschwil» geht es um einen ehemaligen Schweizer Söldner, der zurück in der Schweiz erschiesst er seinen Vermieter sowie dessen Tochter und Ehefrau. Interessant ist, dass bereits 1896 im Bund die Verbindung zur Kampftätigkeit in Indonesien und die daraus erfolgte «ungemein rohe Gesinnung» hergestellt wurde. Blogbeitrag von Philipp Krauer, Landesmuseum.
Links und Literatur
– Fremde Dienstag. Philippe Henry, Philipp Krauer. HLS vom 31.10.23. Link
– «Swiss Tools of Empire: Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee». Diese Seite wurde an der ETH Zürich erstellt und enthält viele interessante Links und Informationen zum Thema. U.a. auch eine Linkliste zu Artikeln (digital).
Im folgenden einige Beispiele:
– Chandrasekhar, Anand: Swiss mercenaries helped spread colonialism in far away lands. Swissinfo (2020) Link
– Krauer, Philipp: Zwischen Geld, Gewalt und Rassismus: Neue Perspektiven auf die koloniale Schweizer Söldnermigration nach Südostasien, 1848–1914, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 71(2), S. 229-250, open access
– Krauer, Philipp: Swiss Mercenaries in the Dutch East Indies. A Transimperial History of Military Labour, 1848-1914. Amsterdam University Press 2024. open acess
– Krauer, Philipp: Von Geld und Gewalt: Die globalen Dimensionen des Schweizer Söldnerwesens. In: kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz. Hg. Schweizerisches Landesmuseum. Zürich 2024. S. 143 – 158.
Material für den Unterricht
Unterrichtsmaterial zur Ausstellung im Landesmuseum «kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz»
Si Sangamangaraja XII. und Hans Christoffel, Sumatra
In der zweiten Lerneinheit «Globale Verflechtungen der Schweiz» stehen zum Thema «Söldner und Kolonialkriege» die beiden Protagonisten Si Sangamangaraja XII., König der Batak auf Sumatra, und Hans Christoffel, Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee, im Zentrum. Seit 1878 widersetzen sich die Batak der niederländischen Kolonialisierung. Die beiden Personen treffen Anfang des 20. Jahrhunderts aufeinander. 1907 wird Si Sangamangaraja bei diesem Aufeinandertreffen mit der besonders brutal vorgehenden Einheit Christoffels umgebracht.
Die beiden Porträtkarten (S. 74-75) ermöglichen es den Schüler:innen, sich mit den Ereignissen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven auseinanderzusetzen. Sie können sich im Zusammenhang mit dem Portrait von Si Sangamangaraja mit dem Widerstand gegen die Kolonialisierung auseinandersetzen. Bezüglich der Lebensgeschichte von Hans Christoffel ist es interessant zu sehen, wie sich im Verlaufe seines weiteren Lebens die Haltung zu seinen Taten verändert hat.
Siehe zum Thema auch Lerneinheit 2, Schweizer Söldner im Dienst von Kolonialmächten. In den Unterlagen wird auch der Bogen zu heute geschlagen. Noch heute erinnern sich die Menschen in Indonesien an die Gewaltexzesse der niederländischen Kolonialmacht. Thomas Mites Vater entkommt damals als Zehnjähriger nur knapp einem der Massaker von Hans Christoffels Truppen. Ein Ausschnitt seiner Erzählung ist in der Lerneinheit 2 abgedruckt.
Weitere Informationen
– Zangger, Andreas. Hans Christoffel: Ein Bündner Jagdhund in Indonesien. WOZ 2019.
– Krauer, Philipp: Von Geld und Gewalt: Die globalen Dimensionen des Schweizer Söldnerwesens. In: kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz. Hg. Schweizerisches Landesmuseum. Zürich 2024. S. 143 – 158. Zu Hans Christoffel, S. 151 – 156.
Weiteres Material
Text: über Berner Söldner in der Niederländischen Kolonialarmee auf bern-kolonial.ch Link
Text: Ein sehr informativer und gut zu lesender Text über Schweizer Söldner von Philipp Krauer auf der Seite des Landesmuseums Blog des Landesmuseums
Text und Quellen: Ein Schweizer als Militärarzt in Indonesien. Der Text von Philipp Krauer enthält sehr interessante Informationen und mehrere Bildquellen: Vom Tropen- zum Kurarzt: ein Stück Gersauer Globalgeschichte. Philipp Krauer, Schyzer Staatsarchiv Link
Kurze Porträts: Ernest de Weck (Kongo) und Peter Birnbaum (niederländ. Kolonialarmee) Webseite colonial-local
Die Schweizer Söldner brachten auch die «Nationalblume» Geranium mit. Dazu ein Text von bern-kolonial.ch Link
Amerikas: Konquista / Auswanderung / Verwaltung und Besitz von Plantagen
Südamerika
Schweizer Konquistadoren: Besitzer von Plantagen in Venezuela im 16. Jahrhundert
Der St. Galler Bürger Melchior Grübel wanderte nach Venezuela aus, vermutlich aufgrund seiner Verschuldung in St. Gallen und der Aussicht auf grosse Gewinne in der «Neuen Welt». Er nahm 1534 an einem bewaffneten Plünderungs- und Eroberungsfeldzug gegen die lokale Zivilbevölkerung teil. Die 100 – 200 Mann starken Truppen wurden von einer grossen Anzahl versklavten Menschen, die z.T. in den umliegenden Siedlungen geraubt wurden, begleitet. Die versklavten Menschen musste an diesen Plünderungszügen als Lastenträger und Prostituierte teilnehmen. Regelmässig überfielen die Truppen indigene Dörfer, um an Nahrungsmittel und Wertgegenstände zu rauben. Melchior Grübel und sein Bruder Leonardo gründeten im Laufe dieser Kriegszüge z.B. zwei Städte, z.B. Nueva Segovia de Barquisimento. In den 1550er Jahren wurde Melchior Grübel Besitzer von sechs «Ecomeniendas». Auf einem der Anwesen gehörte beispielsweise die (erzwungene) Arbeitskraft von 200 indigenen Menschen dazu.
Konquistadoren und Sklavenhändler vom Bodensee. Kolonialgeschichte im 16. Jahrhundert. Hsg. R. Krauer, N. Stadelmann, K. Mahlke, H. Beck. Schwellbrunn 2024.
Schweizer Auswanderung nach Brasilien im 19. Jahrhundert
Einerseits fand in der Schweiz im 19. Jahrhundert eine schnelle Industrialisierung und somit auch Wirtschaftsexpansion statt, andererseits profitierten aber nicht alle Bevölkerungsteile von dem dadurch steigenden Wohlstand. Die soziale Ungleichheit nahm zu und mit ihr die Armutsmigration. Der amerikanische Doppelkontinent waren das Ziel Nummer eins dieser Auswanderer:innen. Dementsprechend entstanden zahlreiche «Schweizer Kolonien».
Zum Thema «Schweizer Auswanderer in Brasilien» haben Philipp Marti und Bernhard C. Schär ein Unterrichsmodul mit mehreren Quellen zusammengestellt. Darin weisen sie unter anderem darauf hin, dass die Schweizer und andere europäische Siedlungen von den lateinamerikanischen Herrschern «häufig instrumentalisiert» worden sind, «um sowohl Gemeinschaften amerkanischer Ureinwohner als auch Ansiedlungen entflohener Sklaven, die sich in diesen entlegenen Gebieten neidergelassen hatten, zu verdrängen.»
Eine Schweizer Stadtgründung in Brasilien war Nova Friburgo. Sowohl auf der Seite des Landesmuseums, als auch auf der Seite des Staatsarchivs Luzern finden sich Informationen und auf letzterer transkribierte Quellen, die die Perspektive Schweizer Auswanderer:innen aus dem 19. Jahrhundert wiederspiegeln.
Petra Koci schreibt auf der Seite des Landesmuseums: «Der Deal zwischen der Freiburger Kantonsregierung und dem portugiesischen König in Brasilien wurde am 16. Mai 1818 besiegelt. Über 2000 Menschen, vor allem aus Freiburg, aber auch anderen Kantonen, meldeten sich zur Auswanderung. «Heimatlose» wurden von den Behörden abschoben. Brasilien war interessiert an Arbeitskräften, da die Abschaffung der Sklaverei in Gange war. Die Schweizer galten als gute Handwerker und Soldaten. Zudem sollte das südamerikanische Land durch die Einwanderer «weisser» werden. Der König selbst wies den Siedlern Land etwa 150 km im Hinterland von Rio de Janeiro zu.»
Zu Nova Friburgo siehe auch den Text und die Quellen auf colonial-local
Das Dorf Helvécia war Teil der Kolonie Leopoldina. In einer Repotage im Tagesanzeiger über Helvécia heute (2022) werden Fotografien des Fotografen Dom Smaz gezeigt. Link
Schweizer Auswanderung nach Chile
In den neu entstandenen Staaten Südamerikas, wie Chile, werden die europäischen Siedler bei der Landverteilung bevorzugt und die indigene Bevölkerung enteignet. So werden beispielsweise die Mapuche enteignet und auch Schweizer Sieldern wird Land zugesprochen. Bis heute kämpfen die Mapuche für für die Rückgabe von Land. In einem Dokfilm von SRF «Schweizer Siedler in Chile – Der Konflikt mit den Mapuche-Indianern, wem gehört das Land?» von 2019 wird das Thema aufgenommen.
Material für den Unterricht
Brasilien
Quellen: Unterrichtsmodul mit Quellenauswahl zu «Schweizer Auswanderer im Brasilien des 19. Jahrhunderts: Ambivalente Verflechtungen mit Strukturen der Sklaverei». Im Zentrum steht die folgende historische Frage: «Wie kann das Beispiel Brasiliens dazu beitragen zu zeigen, dass die Schweiz als Land ohne eigene Kolonien am europäischen Kolonialismus und Imperialismus beteiligt war, und welche historische Frage wird dadurch aufgeworfen?»
Das Modul ist Teil der folgenden Publikation: Kolonialismus und Dekolonisation in nationalen Geschichtskulturen und Erinnerungspolitiken in Europa. Module für den Geschichtsunterricht. Hsg. von Uta Fenske u.a. Frankfurt 2015. S. 71 – 84. Online findet man es unter dem folgenden Link
Quellen: Transkribierte Quellen von Schweizer Auswanderer:innen auf der Webseite des Luzerner Staatsarchivs. Link
Quelle: Klageschrift von Schweizer Auswanderern über ihre Situation in Brasilien. Auf S. 101-102 ist die Quelle abgedruckt. Zum Verfasser der Klageschrift findet sich in den Schulunterlagen des Landesmuseums zur Ausstellung «Wege aus der Schweiz» auf S. 7 ein kurzer Eintrag. Link Die Schweizer Auswander:innen beklagten einerseits ihre «sklavenähnliche» Behandlung/Situation, andererseits besassen sie selber versklavte Menschen (wenn es die ökonomischen Umstände erlaubten) und der Blick auf die indigene Bevölkerung war stark rassistisch.
Chile
Unterrichtsmaterial zur Ausstellung im Landesmuseum «kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz»
In der Lerneinheit 2, 4. Siedlungskolonien wird auf die aktuelle Thematik der Rückforderung von Land durch die Mapuche in Chile eingegangen. Anhand von Ausschnitten aus dem Dok-Films von 2019 «Schweizer Siedler in Chile – Der Konflikt mit den Mapuche-Indianern, wem gehört das Land?» kann die Thematik mit Schüler:innen diskutiert werden. Interessant ist die Verwendung der Zuschreibung des Begriffs «Schweizer:innen» in Bezug auf die Nachkommen der Siedlerfamilie Luchsinger aus Glarus. Anhand dieses Beispiels kann auch aus dieser Perspektive über die Thematik Identität diskutiert werden.
Literatur zum Thema:
Höhl, Johanna. Die Mapuche Zur Geschichte eines Konflikts. bpb 2023. Link
«Die Mapuche sind die größte indigene Gruppe in Chile. Weil ihre Gebiete im Süden des Landes für Landwirtschaft, Energiegewinnung und Tourismus attraktiv sind, entstehen Konflikte mit dem Staat und Unternehmen um Land- und Wassernutzung.»
Nordamerika
Bereits in der Frühen Neuzeit wanderten Schweizer:innen auf den nordamerikanischen Kontinent aus. Hauptsächlich aus den Kantonen Zürich und Bern emigrierten im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert Mitglieder religiöser Glaubensgemeinschaften aus der Schweiz in die USA. Täufer, Pietisten und Mennoniten liessen sich in Pennsylvania, Carolina und Georgia nieder. Diese im 17. Jahrhundert noch vereinzelten Kontakte vervielfachten sich im 18. Jahrhundert. (hls) Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Auswanderung in der Schweiz zum Massenphänomen und für 4/5 der Auswandernden war die USA die bevorzugte Destination. Sie hofften darauf ein Stück von dem vermeintlich freien Land für sich gewinnen zu können.
Die Skarù·ręʔ, Chief Hankock und die Gründung von New Bern durch den Berner Christoph von Graffenried 1710
Chief Hankock von den Skarù·ręʔ und Christoph von Graffenried treffen Anfang des 18. Jahrhunderts aufeinander. Die Skarù·ręʔ leben seit dem Ende des 16. Jahrhunderts im Gebiet des heutigen North Carolina und Virginia.
Material für den Unterricht
Die Skarù·ręʔ, Chief Hankock und die Gründung von New Bern durch den Berner Christoph von Graffenried 1710
Das Thema «Siedlungskolonien» wird in den Vermittlungsmaterialien am Beispiel des Aufeinandertreffens von den zwei Personen «Chief Hankock» von den Skarù·ręʔ und Christophe von Graffenried, ein Schweizer Auswanderer, aufgezeigt.
In den beiden Portraits auf S. 75 und 76 werde die beiden Perspektiven auf die Vorgänge dargestellt. So hat von Graffenried beispielsweise noch in London ein Stück Land im heutigen North Carolina gekauft, das aber den Skarù·ręʔ gehört. Dementsprechend kommt es vor Ort zu Konflikten mit der indigenen Bevölkerung, u.a. auch der Gemeinschaft, die von Chief Hancock angeführt wird. In der Portraitkarte zu Chief Hancock erfahren die Schüler:innen auch einiges zur Organisationsweise der indigenen Bevölkerung. In den Unterlagen (Lerneinheit 4) ist u.a. ein Video verlinkt, in dem Chandler Allred, ein Skarù·ręʔ, die Geschichte seiner Vorfahren aus seiner Sicht.
Mit von Graffenried reisen auch zahlreiche verarmte Berner:innen mit. Die neue Siedlung, die New Bern genannt wird, zählt etwa 450 Einwohner:innen. John Lawson, der das Grundstück verkauft hat, plant weitere Gebiete für europäische Siedlungen zu bestimmen. Auch dies auf dem Land der Skarù·ręʔ Auf dieser Expedition geraten die beiden Europäer in Gefangenschaft. Nicht lange danach kommt es zu den sogenannten Tuscarora-Krieg. Tuscarora ist die europäische Bezeichnung für die einheimische Bevölkerung. Die Folgen des Krieges waren 900 Tote der Skarù·ręʔ, die weitere Verdrängung der indigenen Bevölkerung aus ihrem Gebiet sowie die Ausdehnung des von europäischen Siedlern besetzten Landes.
Indonesien: Auswanderung / Verwaltung und Besitz von Plantagen
Schweizer in der Plantagenkultur Ostsumatras
Andreas Zangger schreibt, dass der Plantagenkapitalismus an der Ostküste Sumatras ein internationales Projekt war. «Die Holländer öffneten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein relativ kleines Gebiet für internationales Kapital. Ca. die Hälfte der Plantagen stand unter britischer, belgischer und amerkanischer Kontrolle, das leitende Personal stammte aus Deutschland, Grossbritannien, der Schweiz und anderen Ländern. «Vreemdelinge»(europäische Ausländer) wurden zu einem festen Teil der Kultur. Von allen Schweizern in den Tropen waren – abgesehen von Brasilien – am meisten auf Sumatra zu finden. (…) Der Urwald von Sumatra wurde von den eindringenden Europäer als Wildnis vorgestellt und mit «Wildnis» verband sich die Vorstellung den Indigenen als Naturvölkern in Opposition zur eigenen Zivilisation und eine Legitimierung der gewaltsamen Ausbreitung.» (Zangger, Koloniale Schweiz, S. 169ff)
«Ende des 19. Jahrhunderts siedeln sich in der niederländischen Kolonie Sumatra zahlreiche ausländische Tabakpflanzer – darunter auch viele Schweizer – an. Immer wieder kommt es zu Konflikten mit den Batak, einem in Sumatraans ässigen indigenen Volksstamm. Die Pflanzer dringen immer weiter in die scheinbar unberührte Wildnis vor und lassen dabei ausser Acht, dass sich dort bereits Menschen befinden, die den Urwald als Lebensraum nutzen. In dieser angespannten Situation gibt es immer wieder Überfälle auf Plantagen: als Racheakte gegen brutale Pflanzer, die ihre Arbeiter demütigen und misshandeln, oder zur Plünderung, um an Lebensmittel zu gelangen. Ein bei den Batak verbreitetes Mittel des Widerstands sind Branddrohungen, die morgens z.B. an der Trockenscheune für den Tabak hängen und eine Geldforderung enthalten. Bleibt die Forderung unerfüllt, wird die Scheune abgebrannt, was für die Pflanzer ein erheblicher Ernteausfall bedeutet.» (Text aus «Die Schweiz anderswo», Forum Schwyz 2019
Die Villa Patumbah
Die Villa Patumbah in Zürich ist der «steinerne Überrest», der an die Geschichte des Tabakpflanzers Carl Fürchtegott Grob erinnert. Wie eine ganze Reihe anderer Schweizer reiste auch er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Südostasien, um sein Glück zu machen.
In Sumatra machte er sich als Tabakpflanzer selbständig und betrieb eine riesige Plantage. Etwa 2500 Chinesen und 1800 Arbeiter aus Sumatra und Java arbeiteten unter sehr harten Bedinungen. Mit der Ausbeutung dieser Arbeitenden verdiente Grob riesige Summen und wurde so bei seiner Rückkehr nach Zürich zu einem der reichsten Bürger seiner Zeit.
Karl Krüsi – Sumatrastrasse 36 in Zürich
1874 wandert der 19-jährige Karl Krüsi nach Sumatra aus. Zwei Jahrzehnte später kommt er als reicher Mann nach Zürich zurück. Seine Villa, genannt Villa Sumatra, steht heute nicht mehr, wiederspiegelte allerdings den Umfang seines Vermögens.
Weitere Informationen findet man auf der Seite des Landesmuseums und auf der Seite der ETH.
Mit Hilfe von verschiedenen Quellen kann man einen Einblick in die Lebensbedingungen der Arbeitskräfte sowie der Reaktionen der indigenen Bevölkerung auf die Vertreter der Kolonialmacht vermitteln.
Material für den Unterricht
Villa Patumbah
An dieser Stelle soll eine Quelle, die die Perspektive der indigenen Bevölkerung wiederspiegelt, zur Verfügung gestellt werden. Solche Quellen sind allerdings sehr selten, daher immer noch auf der Suche.
Sehr informativ ist die Broschüre zur Ausstellung (2020)»Patumbah liegt auf Sumatra». In kurzen Texten werden verschiedene Aspekte sehr gut erklärt. Diese Texte eigenen sich auch für Schüler:innen.
In der Villa Patumbah werden verschiedene sehr gute Workshops für Schulklassen angeboten, die eine Führung durch das Gebäude enthalten.
Der Text von Monique Ligtenberg auf zh-kolonial eignet sich als Lektüre für die Schüler:innen. zh-kolonial
Karl Krüsi
Quelle: 2017 wurde im Blog vom Landesmuseum ein Eintrag zu Karl Krüsi verfasst. Sehr interessant ist der Kommentar von Andreas Zangger sowie die Replik des Landesmuseums Link. Anhand dieser Texte kann man die Frage, wie Kolonialgeschichte der Schweiz dargestellt wird, diskutieren. Diese Texte können hier als Worddatei runtergeladen werden. Darstellung Schweizer Kolonialgeschichte
Weiteres Unterrichtsmaterial
Unterrichtsmaterial zur Ausstellung des Landesmuseums «Weg aus der Schweiz» (2022) Link
Unterrichtsmaterial zur Ausstellung «Die Schweiz anderswo» im Forum Schwyz, 2019 Link
Links und Literatur
Darini, Ririn, Dyah Ayu Anggraeni. The Life of Deli Tobacco Plantation’s Workers in East Sumatera, 1880–1930. Indonesian Historical Studies, 5 (1), 2021. S. 30-44. Link In diesem Artikel beschreiben die Verfasserinnen das Leben von Plantagenarbeiter:innen.
Fischer-Tiné, Harald. Kolonialismus und Migration. bpb. Siehe v.a. den Abschnitt zu «Fortsetzung der Sklaverei mit anderen Mitteln? Imperiale Arbeitsmigration und das «Indentured-Labour»-System.»
Müller, Niklaus. Familiennachzug um 1900: Eine Kolonialgeschichte zwischen Zürich und Sumatra. (2020) Link
Sigerist, Stefan. Schweizer in Asien. Kaufleute, Uhrmacher, Missionare, Eisenbahner. München 2017. (aktualisierte Auflage)
Zangger, Andreas. Koloniale Schweiz, Ein Stück Globalgeschichte zwischen Europa und Südostasien (1860-1930). Bielefeld 2011.
Hans-Jürg Keller hat auf seiner Webseite ausführliche Notizen (Zusammenfassung) zu Zanggers «Koloniale Schweiz» gemacht. Link
Beitrag auf zh-kolonial zur Villa Patumbah von Monique Ligtenberg
Ein Appenzeller in der Fremde. Schweizerisches Nationalmuseum. (2017)
Kinder von Schweizern und Indonesierinnen in der Schweiz
Im Folgenden sind zwei unterschiedliche Schicksale beschrieben. Alois Wyrsch erhält das Schweizer Bürgerrecht und macht politisch Karriere. Den Kindern von Hermann Heinrich Frei wird das Bürgerrecht mit rassistischer Begründung verweigert.
Material für den Unterricht
Alois Wyrsch: Familiennachzug erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
Alois Wyrsch wird 1825 auf Borneo geboren. Seine Mutter ist Indonesierin, sein Vater ein Schweizer Söldner. Mit acht Jahren wird er und seine Schwester Constantia vom Vater in die Schweiz mitgenommen. Dank der einflussreichen Stellung des Vaters und dessen politischem Einfluss erhält Alois Wyrsch das Schweizer Bürgerrecht. Er wird später Nationalrat werden.
Vom Vater weiss man viel, über die Mutter von Aloys, Ibu Silla, ist sehr wenig bekannt. Das wenige was bekannt ist, stammt aus den Tagebüchern des Vaters. Dort hat er seine Gedanken, Erlebnisse
und Erinnerungen festgehalten. Interessant ist, das weite Passagen über Ibu Silla von den Verwandten des Vaters gestrichen worden sind. Über ihre Existenz soll offensichtlich möglichst wenig bekannt werden. Anhand dieser Quelle kann sehr gut über quellenkritische Fragen und darüber, wessen Perspektive wir aus den Quellen kennen und welche nicht, diskutiert werden. Die Frage nach «fehlenden Quellen und vielfältigen Perspektiven» wird im Unterrichtsmaterial zur Ausstellung «kolonial» im Landesmuseum in der Lerneinheit 1, Thema 2 mit Hilfe von Quellenausschnitten aus den Tagebüchern und entsprechenden Fragen nachgegangen.
Material aus Vermittlungsmaterialien «kolonial – Globale Vernetzung der Schweiz». Lerneinheit 1, Portrait Aloys Wyrsch, S. 71.
Weiterführende Literatur
Schär, Bernhard: Wie eine Frau aus Borneo die Gründung der Schweiz prägte. Republik (2020)
Schär, Bernhard. Switzerland, Borneo and the Dutch Indies: Towards a New Imperial History of Europe, c.1770–1850. Past & Present, 2022, S.
Material für den Unterricht
Hermann Heinrich Frei: Familiennachzug um 1900
«Die Frage, wie viel Fremdheit die Schweiz verträgt, beschäftigte Schweizer*innen bereits im 19. Jahrhundert.» Dieser Satz steht am Anfang eines Textes von Niklaus Müller. Dieser Text ist im Rahmen des Seminars «Von der Kolonisierung zur Globalisierung. Neue Perspektiven auf die Globalgeschichte der Schweiz» entstanden. Der Fokus liegt auf dem Thema Familiennachzug. Worum geht es? «Hermann Frei war als Kaufmann auf Sumatra tätig, einer der grösseren Inseln des niederländischen Kolonialreichs, woraus das heutige Indonesien entstanden ist. Wie damals für europäische Kolonisten üblich, lebte er mit einer javanischen sogenannten Haushälterin zusammen. Sie hiess Karsima und Frei hatte zwei Kinder mit ihr gezeugt. Ebendiese gab er nun im Kanton Zürich bei seiner Mutter in Obhut und war mit dem Anliegen um Einbürgerung bis an den Regierungsrat gelangt.» Zuvor hatte Frei sein Gesuch schon vor den Gemeinderat von Thalheim gebracht, der «sich von der Zerstörung durch „fremdländische Sitten und Gebräuche“ bedroht» sah. Auch der Regierungsrat Zürich lehnt das Gesuch ab. Müller schreibt, «in der Abweisung von Freis Gesuch kam also neben formaljuristischen Gesichtspunkten eine rassistische Grenzziehung zum Ausdruck». Für mehr Informationen siehe Link
Quelle: Protokoll des Regierungsrates von Zürich 1892 (1789), Staatsarchiv Zürich. Unter dem Titel «Brautkinder» sind die Ausführungen des RR von Zürich zum Gesuch von Hermann Heinrich Frei einsehbar. Die Argumentation ist nebst formaljuristischen Punkten auch rassistisch. Dementsprechend müsste eine Behandlung im Unterricht diese Argumente ausführlich kontextualisieren. Zur kurzen Lektüre ist diese Quelle nicht geeignet. Eine weitere Möglichkeit ist, den Inhalt zu paraphrasieren.
Im Text von Niklaus Müller wird die Quelle kontextualisiert. Link
Das Thema Einbürgerung ist bis heute ein vieldiskutiertes und für zahlreiche Schüler:innen ein Thema, das sie und/oder ihre Familie betrifft.
Kolonialverwaltung
Im Dienste der Kolonialverwaltung
Paul Moehr im Dienste der belgischen Kolonialverwaltung im Kongo
«Zahlreiche Schweizer sind ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Dienst der Kolonialmächte als Experten und Fachkräfte in verschiedenen Fachbereichen tätig. Geologen suchen Öl, Ingenieure errichten Brücken, Beamte treiben Steuern ein. Ihr Fachwissen dient der kolonialen Erschliessung und Administration des Landes.»
Material für den Unterricht
In der Lerneinheit 2 der Unterrichtsmaterialien des Landesmuseums wird Paul Moehr, der sich als Postbeamter in den Dienst des Kongo-Freistaats stellt, vorgestellt. Siehe auch Portraitkarte Paul Moehr, S. 76.
Einfluss auf das Bild der Schweizer:innen von den Kolonien
Menschen wie Paul Moehr sind somit Teil der Kolonialverwaltung. Aus seinen überlieferten Texten lässt sich entnehmen, dass er die Unterdrückung und Abwertung der einheimischen Bevölkerung für gut befunden und mitgetragen hat. Mit Texten, die diese Sichtweise enthalten und die in der Schweiz publiziert wurden, hat er auch das Bild der Schweizerinnen und Schweizer von den Kongolesinnen und Kongolesen mitgeprägt.
Material für den Unterricht
In der Lerneinheit 2 wird in einem Text auf Aussagen von Paul Moehr in seinen Tagebüchern (1902) bezug genommen und erläutert, weshalb diese Sichtweise rassistisch und abwertend war.
Handel
Kolonialhandel
Andreas Zangger gibt in seinem Artikel «Aufspringen auf den kolonialen Beutezug. Der schweizerische Grosshandel in der Kolonialzeit» einen prägnanten Überblick über die Schweizer Beteiligung in diesen Geschäften seit dem 16. Jahrhundert. Er verweist darauf, dass der Kolonialhandel eine kriegerische Angelegenheit gewesen sei und dass der schwache Staatenbund der Eidgenossenschaft sich nicht an diesem Wettstreitt beiteiligen konnte. «Kaufleute aus der Schweiz verfolgten deshalb zwei Strategien, um dennoch im Welthandel mitzumischen. Im Windschatten der politischen Bedeutungslosigkeit der Schweiz versuchten sie, sich individuelle Vorteile zu verschaffen und vernetzten sich international. Denn das Zentrum der Operationen lag in den europäischen Seehäfen, von wo aus die Schiffe nach Afrika oder Amerika ausliefen. …. Dieses Operieren von wirtschaftlichen Netzwerken möglichst unabhängig vom Staat zieht sich durch die Geschichte des schweizerischen Grosshandels.»
Ein wesentlicher Handelszweig war der Textilexport in ferne Märkte. Einige Schweizer Handelshäuser verlegten den Schwerpunkt im 19. Jahrhundert auf den Handel mit Rohstoffen, siehe die Gebrüder Volkhart. Die Bedeutung des Transithandels stieg an. Für den Unterricht kann an dieser Stelle eine Verbindung zur Bedeutung des Rohstoffhandels für die Schweiz gemacht werden.
Handelshaus Gebrüder Volkhart
Die Schweiz ist seit dem 18. Jahrhundert eine Handelsmacht. Schweizer wollten ihr Geschäft schon so früh wie im 18. Jahrhunder im Ausland diversifizieren und wanderten nach Übersee aus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in der Schweiz z.B. zehnmal mehr multinationale Firmen als in den Niederlanden, einer Kolonialmacht. Diese Handelstätigkeiten trugen stark zum Wohlstand bei und machten aus der Schweiz eine Handelsmacht.
Eine der grössten Schweizer Firmen, die international tätig waren, war die Firma «Handelshaus Gebrüder Volkhart». 1851 gründet stieg das Unternehmen innert drei Jahrzehnten zu einem der weltweit grössten Handelsunternehmen auf. Zentral war für die Firma war der Handel mit Indien. Gesteuert wurde sie vom Hauptsitz in Winterthur, dem Zentrum der kontinentaleuropäschen Textilwirtschaft, aus und war zeitweise für bis zu zehn Prozent aller indischen Baumwollexporte nach Europa verantwortlich.
Im 20. Jahrhundert wurden in Winterthur verschiedene Stiftungen gegründet, wie z.B. das Winterthurer Fotomuseum oder die Kunstsammlung Oskar Reinhart.
Material für den Unterricht
Quellen + Text: Das Schweizer Geschäft mit Indien von Pascale Meyer (blog Landesmuseum) In diesem Beitrag geht es um die Winterthurer Handelsfirma Volkart (sehr geeignet für den Unterricht, gute Bilder und Text)
Quellen + Text: Unterrichtsmaterial des Landesmuseums zur Ausstellung «Indiennes»: Zu den Gebrüder Volkart Kapitel 8 (S. 34ff). Darin wird auf Bildquelleninterpretation fokusiert (4 Fotos aus dem Volkart-Archiv).
Quellen: Ausschnitte aus zwei Briefen, die in den 1840er von Salomon Volkart und Bernhard Rieter aus Indien (ihrer ersten Erkundigungsreise) in die Schweiz geschickt wurden. Die Quellen sind auf der Webseite von Andreas Zangger zum Projekt «Textilgeschichte» einsehbar.
Indiennes. Stoff für tausend Geschichten. Ausstellungskatalog Landesmuseum. 2019. Zur Firma Volkart: Schweizer Kaufleute und koloniale Herrschaft: die Firma Gebrüder Volkart in Britisch-Indien. S. 112 – 123. (eignet sich für den Unterricht)
Literatur und Links:
Chandrasekhar, Anand. Die befleckte Geschichte der Schweizer Textilindustrie. Swissinfo Juni 2020. Link
Dejung, Christoph. Die Fäden des globalen Marktes. Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Welthandels am Beispiel der Handelsfirma Gebrüder Volkart 1851–1999. Köln 2013.
Franc, Andrea. Im Austausch mit der Welt. Schweizer Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert. 2021.
Schweiz als Handelsmacht Kleines Land, gross im Übersee-Geschäft. Interview mit Andrea Franc srf (6.8.21).
Zangger, Andreas. «Textilgeschichte». Webseite ab 2020. Link
Zangger, Andreas. Aufspringen auf den kolonialen Beutezug. Der schweizerische Grosshandel in der Kolonialzeit. In: kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz. Katalog. Hsg. Schweizerisches Nationalmuseum. Zürich 2024. S. 124 – 143.
Rassenforschung an Schweizer Universitäten
Rassenforschung an Schweizer Universitäten
2016 veröffentlichte Pascal Germann seine Dissertation «Laboratorien der Vererbung. Rassenforschung und Humangenetik in der Schweiz 1900-1970». Darin zeigt der Historiker auf, wie wichtig Schweizer Wissenschaftler in der Rassenforschung und Humangenetik waren.
In einem Interview im Tangaram 44 weist Pascal Germann darauf hin, wie global die Rassenforschung in der Schweiz ausgerichtet war. Weiter führt er aus: «Sowohl Zürich wie Genf waren in den 1920er- und 1930er-Jahren wichtige Zentren der globalen Rassenforschung. Im Anthropologischen Institut der Universität Zürich verkehrten nicht nur Forscher aus ganz Europa, sondern auch Wissenschaftler aus den USA, Südafrika, Neuseeland, Indien und China. Auch die Genfer Universität war in der Rassenforschung international ausgerichtet. So pflegte der Genfer Anthropologie-Professor Eugène Pittard enge Kontakte zur Türkei und war gar mit Staatspräsident Atatürk befreundet. Dies ermöglichte Pittard, massgeblich zur Förderung der Rassenforschung in der Türkei beizutragen. Dieses Beispiel zeigt, dass Schweizer Rassenforscher nicht nur an der Klassifikation von Menschen in der Schweiz interessiert waren. Vielmehr wandten sie sich weltweit ganz unterschiedlichen politischen Kontexten zu, in welchen ihre angeblich rein wissenschaftliche Rassenexpertise für Herrschaftszwecke benutzt wurde.» Link zum Interview
Wie aktuell das Thema nach wie vor ist zeigt, dass 2018 gegen Pascal Germann bei der Universitätsleitung Zürich von Nachkommen eines in der Dissertation erwähnten Forschers Anzeige eingereicht wurde. Ein externes Gutachten hat Pascal Germann von allen Vorwürfen entlastet. Simon Teuscher, Vorsteher des HS Zürich, hat darauf hingewiesen, welch schwerwiegende Folgen solch rechtliche Verfahren für die Forschenden und die Forschungsfreiheit haben könne. Link
Louis Agassiz: einflussreicher, Schweizer Rassentheoretiker im 19. Jahrhundert
Louis Agassiz genoss ein hohes Ansehen als Naturforscher und Rassentheoretiker. Der u.a. auch in Harvard lehrende Agassiz war einer der einflussreichen Begründer der Rassentheorie und trat in den USA für die Rassentrennung ein. Auf seine Theorie stützte sich auch im 20. Jahrhundert zahlreiche Gruppen faschistischer und rassistischer Überzeugungen. Nach wie vor sind weltweit zahlreiche Plätze, Strassen etc. nach ihm genannt.
In der Schweiz gibt es erst seit den 2000er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur Agazzis. So wird eine Debatte darüber geführt, ob ein Berg nach Agassiz benannt bleiben solle. Das Agassizhorn heisst nach wie vor so, andererseits ist der Éspace Louis Agassiz auf dem Gelände der Neuenburger Universität 2018 in Éspace Tilo Frey umbenannt worden. Siehe auch auf dieser Webseite unter Schwarze Schweizer Geschichte. Zur Debatte finden sich weitere Informationen auf colonial-local und L’ouverture von Hans Fässler.
Material für den Unterricht
– Text: Das Interview mit Pascale Germann in Tangaram 44, 2020 eignet sich (z.B. auch Ausschnitte davon) für den Unterricht.
– An dieser Stelle kann auch die Thematik, wie mit menschlichen Überresten, die in Schweizer Institutionen (oder europäischen) lagern, umgegangen werden soll, angesprochen werden. Ein Beispiel sind die Überreste von fünf Kawesquar-Indigenen aus «Feuerland», die 2008 zufällig im Anthropologischen Institut der Universität Zürich entdeckt wurden und 2010 nach Chile rückgeführt und traditionell bestattet wurden. Informationen dazu:
- Repatriierung. Das Ende einer 129 Jahre langen Reise. Sascha Renner. UZH-News. 12.1.2010 Link
- Späte Rückführung chilenischer Ureinwohner. Ivan Turmo, Swissinfo, 15.1.2010 Link
- Kapitel 1: Feuerländer in Fluntern, ausgestellt bis zum Tod. In: Wildfremd, hautnah. Zürcher Völkerschauen und ihre Schauplätze 1835 -1964. Rea Brändle. Zürich 2013 (2). S. 14- 29.
- Siehe allgemein auch die Unterseite «Völkerschauen» Link
– Text und Quelle zu Louis Agassiz auf der Webseite colonial-local. Link
Links und Literatur
Zur Rassenforschung in der Schweiz
– Die vertuschte Geschichte der Universität Zürich, Stephanie Caminada und Carlo Mariani (Artikel aus der Studierendenzeitung Zürich) swissinfo 18.2.2021 Link
– Interview mit Pascale Germann in Tangaram 44, 2020 Link
– Pascal Germann. Laboratorien der Vererbung. Rassenforschung und Humangenetik in der Schweiz 1900 – 1970. Göttingen 2016.
– Christoph Keller. Die Schädelvermesser. Otto Schlaginhaufen – Anthropologe und Rassenhygieniker. Eine biographische Reportage. Zürich 1995.
Zu Louis Agassiz und der aktuellen Debatte
Webseite von Hans Fässler: L’ouverture
Webseite von colonial-local
Über das Engagement der international erfolgreichen Schweizer Künstlerin Sasha Huber zum Widerstand gegen die Präsenz von Agassiz Namen in Berg- und Strassennamen. Guardian 21.11.2022
Naturforscher und Tropenspektakel im Naturmuseum
Naturforscher und Kolonialismus
Walter Volz, ein Zoologe, wird u.a. von der Stadt Bern und der Bürgergemeinde bei seinen Reisen z.B. nach Liberia unterstützt. Walter Volz Reise an die «Pfefferküste» auf der Seite von bern-kolonial.ch Link
Die namibische Künstlerin Vitjitua Ndjiharine zu Sammlungsgegenständen von Hans Schinz, Zürcher Botaniker, aus Namibia
Interessant sind die Aussagen von der namibischen Künstlerin Vitjitua Ndjiharine im Artikel von Swissinfo, «Ich bin skeptisch, ob die Restitution das Trauma lösen wird». David Eugster, 1.12.22. Sie hat herausgefunden, dass Hans Schinz in den 1880er Jahren vom Urgrossvater ihrer Grossmutter 55 Gegenstände erworben hat, die sie 2022 im Museum anschaute. Interessant ist ihre Auseinandersetzung mit der Geschichte als Künstlerin, aber auch ihre Aussagen zur Thematik Restitution. Link
Mission
Mission
Basler Mission
Die Basler Mission war eine protestantische Missionsgesellschaft, die 1815 in Basel, Schweiz, gegründet wurde. Ihr Hauptziel war es, die lokale Bevölkerung zum Christentum zu bekehren, insbesondere auf dem afrikanischen und dem asiatischen Kontinent. Missionar:innen wurden in das Gebiet des heutigen Ghanas, nach nach Südindien, China, Kamerun und Indonesien geschickt. Während des 19. Jahrhunderts, als der Kolonialismus in Europa seinen Höhepunkt erreichte, spielte die Basler Mission eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Begleitung der europäischen Kolonialmächte in ihren Kolonien. Die Missionare der Basler Mission waren oft eng mit den Kolonialverwaltungen verbunden und arbeiteten mit ihnen zusammen.
Missionarisches Sammeln – Erbeuten
Geschenkt, gekauft, erbeutet – Missionarisches Sammeln in Kamerun und Indien. Isabella Bozsa. Museum der Kulturen, Basel 2019. online
Zur Tätigkeit in Indien:
Auf frommer Mission in Indien von Noëmi Crain Merz, Blog Landesmuseum 2019 Link
Projekt: Mission – Colonialism Revisited
«Welche Rolle spielten christliche Missionsgesellschaften im Kontext von Sklaverei und Kolonialismus? Gibt es historische Berührungspunkte mit Rassismus und Diskriminierung? Mission 21 rückt die vielschichtige Geschichte von Mission, Kolonialismus und Sklaverei ins Blickfeld, um so den Fokus für die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte zu Rassismus und Diskriminierung zu schärfen.»
Auf der Webseite dieses Projekts der Basler Mission lassen sich Informationen und die Aufzeichnungen zu Webinaren finden, z.B.:
- Black Voices from the Archives
- Kindheit zwischen den Kulturen: Missionskinder in der Kolonialzeit Schweizer Kolonialhandel und die Basler Missionshandelsgesellschaft
- Mission und koloniale Gewalt im Ersten Weltkrieg
Buess, Claudia. Die kritische Aufarbeitung von Mission und Kolonialismus. In: Tangaram 47, 2023. S. 49ff.
Material für den Unterricht
Catherine Zimmermann-Mulgraves und die Basler Mission
Das 5 Thema in der Zweiten Lerneinheit setzt sich mit dem Thema «Mission» auseinander. Im Zentrum steht die Person Catherine Zimmermann-Mulgraves. Ihr Portrait ist auf der S. 80 zu finden.
Gewe, ihr ursprünglicher Name, verbringt ihre Kindheit in Luanda im heutigen Angola. Sie wird von portugiesischen Sklavenhändlern verschleppt, kann fliehen, wird von einem englischen Paar adoptiert und zur Lehrerin ausgebildet. Diese Tätigkeit übt sie auch in Ghana für die Basler Mission aus. Ihre Geschichte ist besonders interessant, da sie als Schwarze Frau in einer weiss dominierten Organisation tätig ist. Sie hat dementsprechend auch mit entsprechenden Schwierigkeiten zu kämpfen, wie z.B. dass sie mit ihrem geringeren Gehalt als Frau als Alleinerziehende ihre Kinder nicht ernähren kann und somit sozusagen zur erneuten Heirat gezwungen ist. Auch begegnet ihr innerhalb der Organisation in der Form von Regeln, wie auch im persönlichen Kontakt Rassismus. Interessant ist auch, dass sie in ihrer zweiten Ehe mit einem deutschen Missionar verheiratet ist. Eine Verbindung, die von der Organisation nicht gern gesehen wurde.
Zusätzliche Literatur
Crain Merz, Noemie. Die erste afrikanische Lehrerin der Basler Mission. Blog Nationalmuseum 2024.
Mit den Informationen aus diesem Blogeintrag kann das Portrait oben mit zahlreichen sehr interessanten Informationen ergänzt werden.
Sill, Ulrike. Encounters in Quest of Christian Womanhood: The Basel Mission in Pre- and Early Colonial Ghana. Boston 2020
Zürich und Kolonialismus – Ausstellung und Unterrichtsmaterialien von 2023
Zürich und Kolonialismus
wie die ganze Schweiz war der Kanton Zürich auf zahlreichen Ebenen verstrickt in das europäische Projekt des Kolonialismus und Imperialismus. Obwohl die Schweiz keine Kolonien hatte, waren Zürcher Firmen und Zürcher:innen in vielen Bereichen aktiv am Erhalt des kolonialen Systems beteiligt. Zu den einzelnen Bereichen gibt es Ausführungen in Extraabschnitten.
Ursprünge liegen im Kolonialismus. Beitrag Ashkira Darman. Diskriminierung von Schwarzen. Der Rassismus, der aus den Schlagzeilen verschwand. SRF, 2.5.24 Link
Unterrichtsmaterialien: E-Publikation zur Ausstellung «Blinde Flecken. Zürich und der Kolonialismus»
Dieser erste Abschnitt ist den Unterlagen der Ausstellung im Zürcher Stadthaus 2023 «Blinde Flecken. Zürich und der Kolonialismus» gewidmet. Zum ersten Mal gab es in Zürich eine Ausstellung zu diesem Thema. Aufgrund des grossen Erfolgs der Ausstellung wurde sie bis am 2. September verlängert. Zusätzlich wurde eine E-Publikation mit den Ausstellungstexten veröffentlicht und somit der Inhalt weiterhin zugänglich gemacht. In der Publikation werden die verschiedenen Aspekte des Themas mit prägnanten, informativen Texten illustriert mit Bildquellen dargelegt. Die Texte eigenen sich sehr gut zur Arbeit mit Schüler:innen im Unterricht.
Auf der Webseite der Stadt steht: «Kolonialismus war in Zürich lange kein Thema. Heute wissen wir: Es bestehen blinde Flecken. Die Ausstellung «Blinde Flecken: Zürich und der Kolonialismus» will ein grösseres Bewusstsein für die kolonialen Verflechtungen Zürichs schaffen. Sie will auch aufzeigen, dass der Kolonialismus schon lange in der Stadt präsent ist und dass dieser bis heute nachwirkt. Alle Zürcher*innen sind auf die eine oder andere Weise davon betroffen. …Der Kolonialismus veränderte die Welt tiefgreifend und schuf grosse Ungleichheiten. Die Stadt Zürich und ihre Wirtschaft profitierten davon, wie auch viele Zürcher*innen, die auf die eine oder andere Weise in den Kolonialismus involviert waren. Die Verbindungen in die Kolonien trugen zum Aufstieg der Stadt zur Wirtschaftsmetropole bei. Doch dieser Aufstieg hatte in den Kolonien seinen Preis. So steht der Paradeplatz symbolisch für den Aufschwung Zürichs und für ein System, das hier Wohlstand brachte, das aber menschliche Opfer gefordert hatte.»
«Blinde Flecken» E-Publikation