Völkerschauen in der Schweiz

Völkerschauen in der Schweiz

Völkerschauen waren in Zürich wie in Europa insbesondere zwischen 1880 und 1930 verbreitet. Der Rückgang ab der 1930er Jahre hatte allerdings nichts mit einer Kritik an den Veranstaltungen zu tun, sondern damit, dass die deutschen und französischen Hauptorganisatoren, z.B. Hagenbeck, sich aus dem Geschäft zurückzogen. Nun behalf sich die Schweiz selber und bis in die 1960er Jahre fanden z.B. im Seitenzelt des Zirkus Knies weitere Völkerschauen statt.

Umgang mit Bildmaterial

Wie beim Thema Sklaverei ist auch bei dieser Thematik der Umgang mit dem Bildmaterial wichtig. Denn das vorhandene Material widerspiegelt in der Regel den kolonialrassistischen Blick, objektiviert die abgebildeten Menschen und nimmt ihnen ihre Würde. Wird im Unterricht ein entsprechendes Bild verwendet, ist eine eingehende Reflexion unumgänglich. Eine gute Lösung wurde in den Unterlagen des Ideensets der PH Bern gefunden, in dem die Abbildung eines Völkerschaudorfes in Altstetten von 1925 analysiert wird. Darauf sind Menschen, wenn überhaupt nur sehr klein dargestellt.

Literatur und Links:

– Rea Brändle. Wildfremd, hautnah. Zürcher Völkerschauen und ihre Schauplätze 1835 – 1964. Zürich 2013 (erweiterte Neuausgabe).

– Rea Brändle, Andreas Bürgi (Hsg.). «Wilde, die sich hier sehen lassen». Zürich 2023.

– Sehr informativer Artikel von Kollektiv Vo da, «Völkerschauen in der Schweiz» Link

– zh-kolonial: Station Schulhaus Hirschengraben. In der Aula befindet sich eine «geschnitzte Völkerschau» mit zahlreichen Figuren. Link (zur weiteren Information ein Tagesanzeiger-Artikel von 2021)

– zum Thema Völkerschauen an der Plattenstrasse in Zürich siehe unter Material für den Unterricht.

Material für den Unterricht

Allgemeine Materialien der PH Bern und der PH Luzern

Allgemein zum Thema «Völkerschauen» in der Schweiz gibt es bereits umfangreiches, bereits für den Unterricht aufbereitetes Material mit Quellen und Texten.

Zürich und die Kawésqar im Unterricht

Sehr vielschichtig ist das Thema in Bezug auf die Geschichte der Kawésqar mit dem Bezug zu Zürich. Dieser Bezug dauert von 1881 bis heute. Zentral ist dabei die Perspektive der Kawésqar.

Anhand dieses Beispiels kann in einem ersten Schritt die Brutalität der Völkerschauen in Zürich thematisiert werden, der entmenschlichende Umgang mit diesen Menschen sowie den Überresten der fünf Kawésqar, die in Zürich verstorben sind. Sehr interessant ist es, sich damit auseinanderzusetzen, was seit 2008 passiert ist. Es ist ein Beispiel dafür, dass die Geschichte vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute stark weiterwirkt, vor allem in Chile in der Gesellschaft der Kawésqar und natürlich auch in Zürich. Wie soll mit dieser Geschichte umgegangen werden? Wie ist die Sichtweise der Vertreter:innen der Kawésqar dazu. Wie gehen sie mit dieser Geschichte um und was sind die Folgen für sie? Diese Frage kann mit Schüler:innen besprochen werden und selbstverständlich der tatsächliche Umgang bis heute damit.

Ko Aswal – Pueblo Kawésqar (Webseite)

2008 wurden die sterblichen Überreste im Anthropologischen Institut wieder «entdeckt». 2010 kommt es in Zürich zur Rückgabe der Überreste an Vertreter:innen der Kawésqar. Dabei handelt es sich um die erste Rückgabe dieser Art in der Schweiz. 2023 gibt es eine Zusammenarbeit der der Fundación Pueblo Kawésqar mit dem Völkerkundemuseum Zürich. Eine Delegation der Kawésqar konzipierte ihre eigene Ausstellung und in zahlreichen Veranstaltungen geht es darum, den Menschen in Zürich die vielfältigen Aspekte ihrer Kultur und ihres Lebensalltags vorzustellen. «Francisco González sagt, «die Menschenzoos, die Toten in Zürich: Das ist für uns wie eine Wunde, die über die Jahre nie ganz geheilt ist». Aber mit der Rückgabe, die er als verpasste Chance für einen tiefergehenden Austausch sieht, sei es für ihn mit der Heilung nicht getan. Denn González will sich – anders als manch älterer Kawésqar – nicht von der Stadt abwenden, die seinen Vorfahren einst die Menschlichkeit absprach. Er sucht hier vielmehr etwas, worauf seine Gemeinschaft noch immer wartet: eine Versöhnung.» (NZZ-Artikel, 21.7.23) Anhand von verschiedenen Artikeln und dem Material auf der Webseite des Museums kann man sich differenziert mit dem Thema der Folgen des Kolonialismus bis heute und der Frage, wie mit Geschichte umgegangen werden kann, auseinandersetzen. Die Perspektive und die agency der Kawésqar stehen dabei im Zentrum. Dieses Thema wäre auch prädestiniert für eine interdisziplinäre Unterrichtseinheit mit dem Fach Spanisch. Dann könnte ein Fokus auf spanische Texte auf der Webseite des Projekts Ko Aswál gelegt werden.

Hintergrundinformationen: 1881 Verschleppung und Tod, 2010 Rückführung der Überreste – 2023 Delegation von Kawésqar in Zürich

Für Zürich gibt es viele Informationen über das Beispiel des Plattentheaters und den dort veranstalteten Völkerschauen. Im Zusammenhang mit diesem Ort kann auch eine Verbindung zum Thema, was mit Überresten im Rahmen der Rassenforschung am Anthropologischen Institut der Universität Zürich gemacht worden ist, hergestellt werden. 2008 wurden die Knochen von fünf indigenen Menschen aus Chile im Anthropologischen Institut gefunden. Diese fünf Menschen sind zusammen mit sechs weiteren 1881 von Europäern verschleppt und danach  u.a. an der Plattenstrasse «gezeigt» worden. Nach ihrem Tod wurden die Leichen in der Zürcher Anatomie seziert.

2010 kam es endlich zu einer Rückführung der Überreste und einer traditionellen Bestattung in der ursprünglichen Heimat der Kawésqar.

  • Repatriierung. Das Ende einer 129 Jahre langen Reise. Sascha Renner. UZH-News. 12.1.2010 Link
  • Späte Rückführung chilenischer Ureinwohner. Ivan Turmo, Swissinfo, 15.1.2010 Link
  • Material (Text- und Bildquellen) in «Fremde Bilder» von der PH Luzern, Kapitel «Völkerschauen» (S. 17-18)
  • Kapitel 1: Feuerländer in Fluntern, ausgestellt bis zum Tod. In: Wildfremd, hautnah. Zürcher Völkerschauen und ihre Schauplätze 1835 -1964. Rea Brändle. Zürich 2013 (2). S. 14- 29.
  • zh-kolonial: Station Plattenstrasse 10 (dort stand ein Lokal, in dem Völkerschauen organisiert wurden. Text eignet sich für den Unterricht) Link

Im Juli / August 2023 ist eine Delegation von Kawésqar aus Süd-Chile im Völkerkunde?museum zu Gast. Mit dem Titel «Ko Aswál – The Next Day» ergreifen die Kawésqar die Initiative für eine neue Begegnung in Zürich –, um die vielfältigen Aspekte ihrer Kultur, ihre skills und ihren heutigen Lebensalltag vorzustellen. Gerade in dieser Stadt möchten sie über 140 Jahre später ein neues Kapitel des Miteinanders in der Welt beginnen und gemeinsam mit Blick auf die Zukunft ins Gespräch kommen.

* Ko Aswál – The Next Day: Ausstellung und Veranstaltungen im Völkerkundemuseum Zürich Link (360 Grad Einblick in die Ausstellung Link)

* Informationstexte zur Ausstellung Link

*  Seenomaden aus Patagonien setzen neue Zeichen. Marita Fuchs. UZH News, 21.8.2023. Link

* SRF Kontext: «Back for the future – Fortsetzung einer unmenschlichen Geschichte» Link

* SRF Tagesschaubeitrag 28.7.23: «Volk der Kawesqar sucht Versöhnung mit der Schweiz» Link

Zwei Dokumentarfilme, die im im Rahmen der Ausstellung gezeigt werden, können auch auf youtube angeschaut werden: