Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland bis 1945: Widerstand und Selbstorganisation
Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland vom Spätmittelalter bis 1945
Spätmittelalter bis 18. Jahrhundert
Seit dem Spätmittelalter sind Schwarze Menschen in Deutschland, d.h. damals im Heiligen römischen Reich deutscher Nation, präsent. Einerseits reisten Delegationen afrikanischer Reiche, z.B. aus Aethiopien oder auch aus dem Kongo, nach Europa und wurden respektvoll empfangen. Es gab auch Schwarze Kaufleute die präsent waren. Andererseits brachten in der Zeit der Kreuzzüge bereits einzelne Adligen Schwarze Menschen als Bedienstete als Statussymbol mit nach Deutschland. Mit dem Einsetzen des transatlantischen Handel mit versklavten Menschen verschob sich das Bild Schwarzer Menschen zunehmend vom protorassistischen zum rassistischen. Dies kann man auch den zahlreichen Quellen über sogenannte «Hofm***» in Deutschland entnehmen. Versklavte schwarze Menschen, die in Deutschland zwangsgetauft worden waren. Als Statussymbol gesehen konnten sie an Fürstenhöfen ein materiell gutes Leben führen. Ihre Nachkommen lebten weiterhin in Deutschland. In der Zeit von 1750 – 1850 gab es einerseits einen Angelo Soliman, der als Gelehrter an aufklärerischen Debatten teilnahm, andererseits bildete sich das pseudowissenschaftliche Konzept von Rasse aus, was zur zusätzlichen Abwertung Schwarzer Menschen führte.
19. Jahrhundert bis Anfang 20. Jahrhundert
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Deutsche Reich als imperialer Staat zur Migrationsgesellschaft. Nicht nur vom afrikanischen Kontinent, sondern aus aus den USA nach 1865 ka

Familie Diek am Kaffeetisch (Heinrich Böll Stiftung)
men Schwarze Menschen nach Deutschland. Da sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besassen, war ihre Position immer von einer gewissen Willkür von Staatsseite her geprägt und im schlimmsten Fall drohte die Ausweisung. Ein wichtiges Zeugnis des Kampfs für Gleichberechtigung und gegen Rassismus ist die Petition von 1919 an die deutschen Behörden, in der gleiche Rechte gefordert worden sind. (Siehe dazu auch die antikoloniale politische Petitionsbewegung in Togo z.B. unter Link). Nach dem Ende des 1. Weltkrieges konnten zahlreiche Schwarze Soldaten nicht mehr zurück in die nun britisch kontrollierten Gebiete und bleiben gezwungenerweise in Deutschland. Im Verlaufe der Jahre entwickelte sich eine etablierte ansässige Schwarze Community. In der Regel wurde ihnen das Bürgerrecht verwehrt und sie blieben staatenlos.
Verfolgung in Nazi-Deutschland
Robbie Aitken schreibt für bpb: «Als nicht ins Rassekonzept der Nazis passende Außenseiter sollten sie von der Zugehörigkeit zum neuen Deutschland systematisch ausgeschlossen werden. … Bis zum Sommer 1940 wurde die antischwarze Politik bis zu einem gewissen Grad durch die Hoffnung auf die Rückgewinnung der Kolonien abgefedert. Der koloniale Revisionismus eröffnete vorübergehend sichere Räume für Einzelpersonen und Familien. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sahen sich Schwarze und ihre weißen Partner und Partnerinnen jedoch einem erhöhten Maß an Gewalt ausgesetzt, da der Kolonialrevisionismus und die Sorge um das internationale Ansehen Deutschlands keine Priorität mehr hatten. Immer mehr Menschen wurden in Konzentrationslagern, Zwangsarbeitslagern und Sanatorien inhaftiert, sterilisiert und/oder ermordet.» Link
Material für den Unterricht
Die KZ-Gedenkstätte Neugamme hat 2019 eine Ausgabe der Studienhefte Neugamme zum folgenden Thema veröffentlicht: Verflechtungen: Koloniales und rassistisches Denken und Handeln im Nationalsozialismus: Voraussetzungen – Funktionen – Folgen. Link
Diese 180-seitigen Publikation enthält fünf Module die Hintergrundtexte und biografische Darstellungen und eine breite Auswahl an Quellen:
- People of Color in Deutschland: Vom Kaiserreich (1871–1918) zur Weimarer Republik (1918–1933)
- Nationalsozialistische „Rassenpolitik“ und ihre Folgen für People of Color in Deutschland (1933–1939)
- Schwarze Menschen zwischen rassistischer Ausgrenzung und kolonialpolitischer Vereinnahmung (1933–1939)
- Rassistische Kriegspropaganda, Radikalisierung der nationalsozialistischen „Rassenpolitik“ und ihre Folgen für People of Color (1939–1945)
- Handlungsspielräume und individuelle Formen von Widerstand (1939–1945)
Sehr klar wird in diesen Unterlagen auch die Begrifflichkeit wie «Rassismus», «Antisemitismus» und «Antiziganismus» erklärt und das Verhältnis zwischen kolonialrassistischen Konzepten, Antisemitismus, Antiziganismus und Antislawismus im Nationalsozialismus beleuchtet. «Die Materialien setzen die nationalsozialistische Politik gegen People of Color in ein Verhältnis zur rassenantisemitisch begründeten systematischen Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden sowie zum antiziganistisch begründeten Genozid an den Sinti und Roma. Schlaglichtartig beleuchtet werden Verflechtungen zwischen kolonialrassistischen und national- sozialistischen Vorstellungen und Praktiken von Gewalt und Kriegführung. Durch Gegenwartsbezüge ermöglicht es Anschlüsse an aktuelle Debatten über Migration und gegenwärtige Rassismen und regt dazu an, über die Nachwirkungen von Ungleichheitsideologien und damit verbundene Praktiken von Entrechtung, Ausbeutung und Gewalt nachzudenken.»
Material zur Geschichte Schwarzen Menschen in Deutschland
Quellensammlung auf der Seite «blackcentraleurope» Link. Die Seite enthält eine Fülle von sehr interessanten schriftlichen Quellen und Bildquellen, geordnet nach den folgenden Zeitabschnitten: bis 1500, 1500-1750. 1750-1850, 1850 – 1914, 1914-1945.
Black Power in den Goldenen Zwanzigern – Afrodeutsche auf Spurensuche. Eine Sendung von David Siebert auf SWR 2, Februar 2023. Im Zentrum der Sendung steht die Familiengeschichte von Mandenga Diek. Er reiste 1891 aus der Kolonie „Deutsch-Kamerun“ ins Kaiserreich und war 1918 Mitbegründer des „Afrikanischen Hilfsvereins“ in Hamburg, der Schwarze in Deutschland miteinander vernetzte. Sendung Manuskript zur Sendung
Zum Thema Völkerschauen und Friedrich Maherero, Kwasi Bruce und Theodor Wonja Michael siehe unter Völkerschauen (Deutschland) auf dieser Webseite.
Dekoloniale, Webseite (Berlin). Auf dieser Webseite geht es um dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt. Auf einer Karte sind verschiedene Stationen zum Thema eingetragen, an denen man weitere Informationen z.B. zu einzelnen Personen und zur Verbindung mit Gebieten in ehemaligen Kolonien erhält. Link
Global erinnern: Global erinnern stellt digitale Stadtkarten zur Verfügung (Berlin, Bremen, Frankfurt am Main, Kassel und Köln) mit deren Hilfe z.B. Schüler:innen koloniale Geschichte erkunden können.
Black Germany. Zur Entstehung einer Schwarzen Community in Deutschland. Robbie Aitken, 2022, bpb «Die Präsenz Schwarzer Menschen im deutschsprachigen Raum lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Spätestens im Kaiserreich wurde die Community größer und sichtbarer. Warum ist Deutschlands Schwarze Geschichte dennoch so unbekannt?»
Schwarze Community in Deutschland. Dossier der Heinrich Böll Stiftung Link
Migrations Lab: Sammlung von Material und Links zu Projekten mit entsprechenden Materialien Link
Sinti:zze und Rom:nja
Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland
Seit 600 Jahren ist die Anwesenheit von Sinti und Roma in Deutschland in den Quellen belegt. Roma hatten kein Aufenthaltsrecht. Sie wurden als Minderheit, die über eine eigene Sprache und Kultur verfügte und meist von dunklerer Hautfarbe war, ausgegrenzt und sozial deklassiert. Ein Vorwurf, der auch den Juden gemacht wurde, war, dass sie für die Türken spionieren würden. 1497 wurden sie sogar für «vogelfrei» erklärt, was die ausgeprägte Diskriminierung wiederspiegelt. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung wurden die Sinti und Roma im späteren Deutschen Reich ab 1899 offiziell registriert und systematisch als gesellschaftliches Problem stigmatisiert und bekämpft. Unter dem Nationalsozialismus wurden 500’000 Sinti*zze und Rom*nja ermordet. Dieser Völkermord wurde allerdings nach Kriegsende lange Zeit verschwiegen und erst Anfang der 1980er Jahre anerkannte die deutsche Regierung die begangenen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs. Darin widerspiegelt sich, dass die Diskriminierung auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs weiterging. Es entsteht eine Bürgerrechtsbewegung, die bis heute gegen Diskriminierung und Rassismus sowie für ein entsprechendes Erinnern kämpft.
Sinti*zze und Rom*nja
«Sinti*zze und Rom*nja sind seit Jahrhunderten in den Staaten des heutigen Europas beheimatet. Als „Sinti“ bezeichnet man die Teilgruppe, die seit Beginn des 15. Jahrhunderts in Deutschland und den Nachbarländern lebt, als „Roma“ die seit dem Mittelalter in Ost- und Südosteuropa lebende Gruppe. Außerhalb des deutschen Sprachraums wird „Roma“ auch als Sammelbegriff für die gesamte Minderheit verwendet. „Sinti“ sowie „Roma“ sind Gruppenbezeichnungen und zugleich männliche Pluralformen. Die männlichen Singularformen lauten „Sinto“ bzw. „Rom“, die weiblichen Singularformen „Sintiza“ (oder „Sinteza“) bzw. „Romni“. Die weiblichen Pluralformen sind „Sintize“ (oder „Sinteze“) bzw. „Romnja“.» Begriffserklärung Bildungszentrum Sinti und Roma, Heidelberg, link
RomArchive
«RomArchive ist ein digitales Archiv für die Künste und Kulturen der Sinti und Roma, das Kunst aller Gattungen archiviert und um zeitgeschichtliche Dokumente und wissenschaftliche Positionen erweitert. … Als international zugänglicher Ort, der Kulturen und Geschichten von Sinti und Roma sichtbar macht, begegnet RomArchive beständigen Fremdbeschreibungen und Stereotypen mit einer von Sinti und Roma selbst erzählten Gegengeschichte.» Link
Material für den Unterricht
Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Kriterien zur Reflexion und Vermeidung von Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze in didaktischem Material und der Unterrichtsplanung. Hajdi Barz. Hsg. RomaniPhen (eingesehen 7.4.2023) Link
Bildungsportal des Dokumentationszentrum Sinti und Roma in Deutschland. In diesem Modul sollen vor allem drei Bereiche untersucht werden: die Ausgrenzung aus dem Arbeitsleben, aus dem Schulwesen und aus der Wehrmacht. link
Das Schicksal der europäischen Roma und Sinti während des Holocaust. Link
Die gesellschaftliche Ausgrenzung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Unterrichtsmaterial vom Landesbildungsserver Baden-Württemberg von 2022 Link
Der Völkermord an den Sinti und Roma. 2023. Film 29 Min. Planet Schule mit Hintergrundinformationen, Kurzbiografien und Unterrichtsmaterial. Link
Links und Literatur
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Link
RomaniPhen e.V. Verein von Rom:nja und Sinti:zze. Auf der Steite gibt es zahlreiche interssante Informationen zur Geschichte und der Situation heute. Link
Romahistory.com. Ein Service des Bildungsverein der Roma zu Hamburg e.V. Link
Dokumentationszentrum Sinti und Roma in Heidelberg, Begriffe link
Sinti und Roma. Ein unbekanntes Volk? Daten, Zahlen, Fakten. bpb 2014. Link
Rassismus gegen Sinti und Roma. Petra Rosenberg in Themenheft Rassismus von Schule ohne Rassismus 2023. S. 38 – 21.
Antiziganismus: Begriff, Idee, Funktion und Umsetzung. Udo Engbring-Romang. Lernarchiv Bildung Hessen 2006. Link
Interview-Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945“: Freie Universität Berlin, Universitätsbibliothek/Center für Digitale Systeme. «Knapp 600 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus 26 Ländern erzählen ihre Lebensgeschichte in ausführlichen Audio- und Video-Interviews.» Link
Antiziganismus und Bildung
Kaya, Z. Ece/Rhein, Katharina (2021) (Hrsg.):Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus in der postnationalsozialistischen Gesellschaft. Erziehungswissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzungen, Weinheim/Basel.